Es ist unfassbar, wie sie es beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) alle miteinander verkorkst haben. Zum sportlich tiefsten Tiefpunkt gesellt sich im Verband die schlimmste je erlebte Finanzkrise. Begleitet wird die unheilvolle Entwicklung von einer Kommunikation, die nach dem blamablen 0:2 gegen Kolumbien in einer Bankrotterklärung mündete.
Während Bundestrainer Hansi Flick unverdrossen postuliert, er habe Spieler mit „enormer Qualität“ beisammen, die, bitte schön, von den Medien nicht kritisiert werden sollten, erklärte Sportdirektor Rudi Völler im Nachgang der Testspielniederlage gegen die Südamerikaner nämlich aus der Hüfte, es mangele an individuellem Können, es werde Konsequenzen für einzelne Akteure geben, die nicht mehr nominiert werden würden.

„Es fehlt bei dem einen oder anderen an der Topqualität“, sagte Völler. „Wir haben einige gute Spieler, die ganz oben im Regal sind. Aber wir haben auch einige Spieler, die werden es nicht schaffen für die Europameisterschaft.“ Der 63-Jährige bemängelte auch gleich noch die Leidenschaft: „Für die Kolumbianer war das wie ein WM-Spiel.“ Man müsse darum gucken, „dass man die richtigen Spieler beim nächsten Länderspiel einlädt“, sagte er.
Nationalspieler öffentlich derart fundamental zu kritisieren, ist neu im DFB. Die Stoßrichtung ist allerdings durchschaubar: Völler will Flick stützen und schützen, indem er den Druck auf die schwächsten vieler schwacher Spieler kanalisiert. Das dürfte in diesem Fall jedoch kolossal danebengegangen sein – ganz so wie die Auftritte auf dem Platz. Es fehlt auf vielen Ebenen in dem auf Schlagseite geratenen Verband an Abstimmung.
Oberflächliche Ausreden
Der Bundestrainer seinerseits ist nicht in der Lage, seine wirren Experimente zu erklären. Er spricht ständig von einem „Plan“, einem gemeinsamen „Weg“ und einem „Prozess“. Wahr ist allerdings: Dieser Prozess geht in die völlig falsche Richtung.
Man muss sich im Fußball nicht in aller Tiefe auskennen, um sich zu fragen: Warum fliegen Flanken in den Strafraum, wenn der potenzielle Abnehmer Niclas Füllkrug ständig auf der Bank hockt? Weshalb wird der formstarke Ilkay Gündogan in eine Halbposition verschoben, von der aus er kaum einmal an den Ball gelangt? Wieso darf Emre Can einen Libero geben, wie er schon seit Jahrzehnten im modernen Fußball nicht mehr existiert?
Can ist gelernter Mittelfeldspieler. Seinen zuvor letzten Auftritt in der Abwehrzentrale im DFB-Team hatte er im Herbst 2019. Er sah gegen Estland nach 15 Minuten die früheste Rote Karte der deutschen Länderspielgeschichte. Wie also kommt Flick auf einen solchen Unfug, den er hinterher auch nicht schlüssig zu erklären weiß und der auch eine Botschaft an andere ist. Größer könnte sein Misstrauensvotum für die gelernten Verteidiger Nico Schlotterbeck, Matthias Ginter, Thilo Kehrer und den nicht nominierten Niklas Süle nicht sein.
Nach der WM redeten sich Spieler, Trainer und später auch Völler noch vieles schön. Quintessenz: Im Grunde seien vordringlich 20 schwache Minuten gegen Japan und die leidige Bindendebatte Schuld am Aus gewesen. Ähnlich relativierende Erklärungen folgten auch im März nach dem 2:3 gegen Belgien und am Freitag nach dem 0:1 in Polen. Immerhin: Solche oberflächlichen Ausreden brachte nach dem desaströsen Vortrag gegen Kolumbien niemand mehr vor.
Im Grunde kann man im DFB sogar dankbar sein: Die leidgeprüften Fans nehmen jede der seltenen halbwegs gelungenen Kombinationen genügsam auf. Es müssten halt öfter mal gelungene Kombinationen zu besichtigen sein.
Kein Geld für Flicks Ablösung
Der Status quo mutet verfahrener an, als er unter Joachim Löw je war. In die September-Spiele gegen Japan und Frankreich kann es nur mit schlotternden Knien gehen oder mit neuem Bundestrainer. Aber der DFB hat kein Geld für eine Ablösung.


