EM-Kolumne

Wasser trinken und Werbung predigen

Wer macht eigentlich bei dieser Fußball-Europameisterschaft Bandenwerbung? Und warum?

Nicht direkt auf dem Platz, aber immer drumherum: die Bandenwerbung bei der EM
Nicht direkt auf dem Platz, aber immer drumherum: die Bandenwerbung bei der EMimago/Matthias Koch

Berlin-Entscheidend ist auf’m Platz, das ist ja klar, seit der einstige BVB-Star Adi Preißler diese Weisheit der Fußballwelt geschenkt hat. Aber wenn das Geschehen auf’m Platz mal nicht so spannend ist, schweift der Blick doch ab und bleibt bei dem hängen, was sonst noch so zu sehen ist im Stadionrund. Die Bandenwerbung zum Beispiel. Hisense ist da sehr präsent. Der Name erscheint auch bei jeder Einblendung eines Spielstandes auf dem Bildschirm. Hm. Hisense?

Google zeigt: Das ist ein chinesischer Elektronikkonzern, der zu den weltweit führenden Herstellern von Fernsehgeräten zählt. Nach eigenen Angaben ist Hisense die Nr. 1 in China, Australien und Südafrika. Und nun geht es darum, in Europa bekannter zu werden. Daher das Engagement als „offizieller Fernsehausstatter der Euro 2020“. Welche Rolle Hisense Cooling dabei spielt, das auch manchmal an der Bande aufleuchtet, ist nicht klar. Vielleicht der offizielle Kühltruhenausstatter der Europameisterschaft?

Fußball ist eine große Geldmaschine

Weiter geht’s die Bande entlang. Vivo X60 steht da. Auch ein Rätsel, oder? Vivo ist ein chinesischer Smartphonehersteller, im asiatischen Raum eine große Nummer. Jetzt geht’s in Kooperation mit dem deutschen Markenunternehmen Zeiss darum, in Europa Fuß zu fassen. Das gleiche Muster wie oben. „Ich sage nur: China, China, China“, warnte Konrad Adenauer ja schon vor Jahrzehnten, und Joe Biden klang neulich ganz ähnlich. Aber dass die nun ausgerechnet in unseren Fußballstadien zugange sind?

Aber sie sind ja nicht allein. Da ist zum Beispiel Gazprom aus Russland, ein zuverlässiger Freund des europäischen Fußballs, siehe Schalke 04. Und Qatar Airways fliegt auch die Bande entlang, Gastgeber der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft. Wir sind gar nicht erstaunt festzustellen, dass die Uefa nicht sehr zimperlich ist, wenn es um Sponsoring und Werbeverträge geht. Das ist schließlich kein Demokratiewettbewerb. Fußball ist das Thema, aber Fußball ist auf diesem Niveau eben eine große Geldmaschine, deren wichtigster Treibstoff Werbung heißt.

So gibt es schon weltweites Aufsehen, wenn Christiano Ronaldo auf einer Pressekonferenz während der EM die Flaschen des Sponsors Coca Cola beiseiteschiebt, eine Flasche Wasser nimmt und sagt: „Leute, trinkt Wasser!“. Für den amerikanischen Brausehersteller ist das ein PR-Debakel erster Ordnung. Und so erinnert die Uefa die Teams eilfertig daran, dass die Sponsorengelder wichtig für das Turnier und den europäischen Fußball seien. Soll heißen: Lasst bloß die Flaschen stehen und haltet den Mund!

Dazu passt, wie ARD und ZDF ihre Nachrichtensendungen in den Halbzeitpausen zu bizarren Kurzfassungen zusammenstauchen, um Zeit für endlos lange Werbeblöcke zu schaffen. Da tritt dann Bastian Schweinsteiger als lustiger Fan von Funny Frisch Chips auf, um gleich darauf als ARD-Experte das aktuelle Spiel zu kommentieren. Ein Euro- Doppelverdiener der besonderen Art. Man wendet sich mit Grausen und tröstet sich: Entscheidend ist doch auf’m Platz. Oder?