Herzogenaurach-Draußen im inzwischen weltberühmten Adi-Dassler-Stadion in Herzogenaurach hat die Sonne nach einem reinigenden Nachtgewitter wieder fast so erbarmungslos geschienen wie in den glutheißen Tagen zuvor. Die Medienmeute auf der Tribüne war dann bald dabei, die rudimentären Algebra-Kenntnisse aus der Grundschulzeit wieder ein wenig aufzufrischen. 21 deutsche Nationalspieler waren aus der gebotenen Halbdistanz lediglich auf dem frisch geduschten Fußballfeld zu erkennen. Denn Oliver Bierhoff, körperlich noch immer nah dran an seiner vor fast 20 Jahren schon beendeten aktiven Karriere, begab sich zwar auch auf den Platz, trug aber ein Käppi in der Hand und gehörte somit nicht dazu.
21 Spieler also. Macht in einem Kader von ursprünglich 26 exakt fünf Männer, die fehlten. Als da wären: Lukas Klostermann (fällt noch länger aus mit einer Oberschenkelzerrung), Toni Kroos (braucht nur ein wenig Ruhe, radelte dafür im Fitnesszelt) Mats Hummels (die Patellasehne am linken Knie will nicht aufhören zu zwicken), Ilkay Gündogan (der Wadenschmerz hält nach wie vor an) sowie ein wenig überraschend auch der vermeintlich unkaputtbare Thomas Müller.
Die offizielle DFB-Diagnose beim 31-Jährigen, der gegen Portugal bis zum Ende durchgehalten hatte: Kapselverletzung, rechtes Knie. Eine Kapselverletzung ist in der Regel zwar schmerzhaft, hindert aber nicht zwangsläufig an aktivem Sporttreiben. Die Bild-Zeitung („Müller-Schock“) berichtete indes auch von einer Innenbanddehnung bei dem Bayern-Stürmer, der deshalb sicher für die bevorstehende Partie am Mittwoch (21 Uhr) gegen Ungarn ausfallen würde und auch um ein mögliches Achtelfinale noch bangen müsste, DFB-Sprecher Jens Grittner konnte Müllers Fehlen gegen Ungarn nicht in dieser Absolutheit bestätigen. Was jedoch dafür spricht: Müller hatte am Montag neben Behandlungen der lädierten Stelle und der Muskulatur lediglich Wassergymnastik betrieben.
Der Münchner war im Spiel gegen Portugal gefühlt 100 Kilometer gelaufen und hatte sich in alles reingeworfen, was auch nur entfernt wie ein Ball aussah. Zuletzt in der 93. Minute heroisch aus kurzer Distanz in einen Passversuch von Pepé, in dessen Folge der deutsche Offensivspieler sich mit schmerzverzerrtem Anlitz am Boden gewälzt und ans dabei offenbar überdehnte Knie gegriffen hatte.
Knifflige Entscheidungen für Bundestrainer Löw
Die EM 2021 fordert also erste Opfer im deutschen Kader, wenn auch bisher lediglich einzelne Körperteile, die gegen Ungarn geschont werden könnten, um für den weiteren Turnierverlauf wieder zur Verfügung zu stehen. Es sind die ganz normalen Folgen der Hochleistungsphase, in die sich alle Akteure bei einem solchen Turnier, noch dazu nach einer besonders anstrengenden Corona-Saison, begeben müssen. Der belastete Körper gibt Antworten, die nicht ignoriert werden sollten.

