Kolumne 1. FC Union

Vor dem Derby: Der 1. FC Union und der Fluch des ersten Saisonspiels

Trotz aller Erfolge: Noch nie haben die Eisernen in der Bundesliga ihre Auftaktpartie gewonnen. Es gäbe keinen besseren Zeitpunkt, als das gegen Hertha zu ändern.

Das bislang letzte Derby gegen Hertha BSC konnte der 1. FC Union im Olympiastadion deutlich für sich entscheiden und mit den Fans ausgelassen feiern.
Das bislang letzte Derby gegen Hertha BSC konnte der 1. FC Union im Olympiastadion deutlich für sich entscheiden und mit den Fans ausgelassen feiern.Imago/Matthias Koch

Es gibt Dinge rund um den Ball, die sind selbst mit der Erfahrung von Jahrzehnten nicht zu erklären. Zum Beispiel der Umstand, dass die Deutschen schon immer die besten Torhüter haben. Das denken sie zumindest, auch wenn andere Nationen, Tschechien, Polen, Dänemark, Schweiz – immerhin hatte auch der 1. FC Union mit Rafal Gikiewicz einen aus dieser Reihe und hat mit Frederik Rönnow aktuell wieder die Nummer eins hieraus und mit Jakob Busk einen weiteren – nicht schlechter sind. Auch die Tatsache, von England-Ikone Gary Lineker in die Welt getragen, dass Fußball im Grunde ein einfaches Spiel sei, bei dem 22 Spieler dem Ball nachjagen und am Ende immer die Deutschen gewinnen, hat den Hang zum Mysteriös-Unerklärlichen, obwohl hiervon der Lack schon lange ab sein sollte.

Immerhin: Die Tendenz beim 1. FC Union stimmt

Aber was soll das mit den Rot-Weißen aus Köpenick zu tun haben, die gerade am Beginn ihrer erst vierten Spielzeit in der Bundesliga stehen und damit das mit Abstand unerfahrenste Team unter den 18 aktuellen Erstligisten stellen? Zumindest folgendes Dilemma, weil auch das unerklärlich ist, passt auf die Männer von der Wuhle wie Urs Fischer auf deren Trainerbank: Es ist der Fluch des ersten Spiels. Seit sie im Oberhaus sind, sind sie in ihren Auftaktspielen ohne Dreier.

Irgendwann, so die Wahrscheinlichkeit und vor allem die Hoffnung, sollte es nach drei vergeblichen Anläufen endlich klappen, diesen Fluch zu besiegen. Wenigstens die Tendenz – 0:4 gegen Leipzig im ersten Jahr, 1:3 gegen Augsburg danach, 1:1 zuletzt gegen Leverkusen – stimmt. Und: Immer hatten die Spieler um Kapitän Christopher Trimmel, der als Einziger stets dabei war, ein Heimspiel. Das haben sie am Sonnabend ab 15.30 Uhr erneut. Nur hat das noch eine ganz andere Dimension und vor allem eine andere Brisanz: Es ist Derby!

Die Geschichte von Auftaktspielen ist eine ganz besondere. Ein Sieg zum Start sei enorm wichtig, heißt es. Ein Dreier zu Beginn sorgt nicht immer gleich für eine breite Brust, ist für die Psyche aber nicht ganz unwichtig. Dass ein Team eine Start-Ziel-Meisterschaft hinlegt, an allen 34 Spieltagen Tabellenführer ist, hat es schon gegeben. Den Bayern (wem sonst?) ist es vor 53 Jahren bei ihrem ersten Titelgewinn in der Bundesliga gelungen.

Ebenso ist es vorgekommen, dass der erste Tabellenführer am Ende in die Zweite Liga musste. Es gibt sogar eine Ära, da passierte so etwas fast regelmäßig: 1997/98 Karlsruher SC, 1998/99 Borussia Mönchengladbach, 2002/03 Arminia Bielefeld. Erst ganz oben, dann durchgereicht in den Keller. Nur zur Beruhigung für alle Köpenicker: Es gibt von den aktuellen Erstligisten nur zwei, die noch nie Tabellenführer waren. Die anderen kommen aus Augsburg.

Eine Niederlage zum Auftakt ist nicht der Anfang vom Ende

Völlig gegensätzliche Beispiele gibt es auch, nur sind die rar gesät. Dass bei Weltmeisterschaften ein Team mit einer Niederlage startete und am Ende den Pokal nach Hause nahm, passierte in der 92-jährigen Historie erst einmal. 2010 in Südafrika machten die Spanier nach einem 0:1 gegen die Schweiz lange Gesichter. Danach aber gab es für die Furien nur noch Siege und mit einem 1:0 im Endspiel gegen die Niederlande den größten Triumph überhaupt. Kurioserweise sind die Oranjes jene Mannschaft, der ein solches Kunststück bei Europameisterschaften glückte. 1988 in Deutschland gingen Ruud Gullitt, Marco van Basten und Co zum Start mit einem 0:1 gegen die Sowjetunion in die Knie, um im Finale gegen die Sbornaja mit 2:0 zu triumphieren.

Eine Niederlage zum Auftakt ist also nicht zwangsläufig der Anfang vom Ende. Sonst hätte es die Eisernen in der Bundesliga schon nach einem Spieljahr nicht mehr gegeben. Gerade bei den Männern aus der Alten Försterei ist ja das Gegenteil der Fall. Dennoch kurz zum Nachdenken: Man darf durchaus mal anders beginnen. Vor allem im Derby. Deshalb ganz langsam, zum Mitschreiben und zum Hinter-die-Ohren-stecken: Ein. Dreier. Zum. Auftakt. Gerade. Gegen. Hertha. Wäre. Schon. Schön.