Zeit für meinen ersten Eintrag. Nachdem ich meinem Kollegen Nils Malzahn drei Mal das Feld überlassen habe, bin ich nun mit dem Trainingslager-Tagebuch dran. Mittlerweile ist glücklicherweise auch mein Magen wieder gut gefüllt.
Denn uns gingen nach guten ersten Tagen die Vorräte aus. Wo sind die Tage nur geblieben? Ich muss dazu sagen, dass das mein erstes Camp ist, auch Nils ist ganz neu, weshalb bei uns rund um die Uhr viel los war.
Weil ich um 13 Uhr noch immer nichts gegessen hatte, lief ich nach der Einheit am Donnerstagvormittag erst mal zu Aldi, fußläufig entspannt in knapp zehn Minuten zu erreichen. Offenbar hatten auch einige Fans des 1. FC Union Berlin ein ähnliches Problem, denn während ich die Gänge des Supermarktes entlangschlenderte, waren nur wenige spanische Gesprächsfetzen zu hören, die meisten Kundinnen und Kunden unterhielten sich auf Deutsch, einige hatten auch Fankleidung der Eisernen an.
In Spanien vermutlich kein ganz seltenes Phänomen, aber in Campoamor an der Costa Blanca hätte ich das nicht unbedingt erwartet. Ebenso wenig die großen Schwärme von grünen Halsbandsittichen, die mich neben dem Fußballalltag faszinieren, weil sie mit ihrem wunderschön-farbenprächtigen Gefieder oft laut krächzend und geschwind an unserem Balkon vorbei in Richtung der Palmen fliegen.

Die Palmen bieten den kecken Vögeln viel Nahrung. Auf dem morgendlichen Weg zu den beiden Trainingsplätzen der Eisernen fliegen sie zu Dutzenden von einer Straßenseite zur anderen, sind auf dem Boden des Golfplatzes zu finden, auf dem sie allerdings dank ihrer grünen Farbe aus der Entfernung nur dann auszumachen sind, wenn sie sich bewegen.
Ist Gefahr im Verzug bzw. kommt man ihnen zu nahe, fliegen sie auf einen der vielen Bäume und warten dort, bis man wieder weg ist oder ziehen sich zu einer weiter hinten gelegenen Rasenflache des weitläufigen Areals zurück.

Union Berlins Coach Urs Fischer mit klaren Ansagen
Meist werden die Tiere ohnehin in Ruhe gelassen, denn viele der Spaziergänger gehen mit ihrem Hund Gassi oder sind auf dem Weg zu den Fußballplätzen. Die erreicht man allerdings erst, wenn man eine Zeit lang steil bergauf gegangen ist. Eine zusätzliche Joggingeinheit braucht es dann – gerade bei zwei FCU-Trainingseinheiten und einem Gesamtweg von gut einer Stunde – nicht mehr.
Mein Minusrekord waren bisher 11.000 Schritte am Tag – wann schafft man das an normalen Arbeitstagen schon mal? Selbst am gestrigen Donnerstag, als die Eisernen nur eine Einheit hatten, waren es rund 13.000. Gerade nach den essensreichen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr keine schlechte Sache.
Im Vergleich zu den Profis der Eisernen ist mein Pensum natürlich trotzdem ein Witz. Denn auch das Donnerstagstraining hatte es in sich. Coach Urs Fischer grätschte bei den Übungsspielen verbal immer wieder dazwischen, weil seine Mannschaft nicht durchgehend zu seiner Zufriedenheit agierte (gewünscht war beispielsweise ein Pass nach vorne oder die Verlagerung auf die Seite und nicht die Sicherheitsvariante hintenrum bzw. im Ballverlust endend).

„Spione“ Jens Härtel und Robert Klauß schauen Union Berlin von außen zu
Allerdings lobten der Schweizer Coach und sein Trainerteam die Spieler auch oft genug für gelungene Aktionen – und das unter den Augen von zwei aktuell vereinslosen Übungsleitern, die sich außen rechts hingestellt hatten und mit Notizzettel ausgestattet genau beobachteten, wie es bei den Eisernen zuging.
Die „Spione“ waren der Ex-Unioner Jens Härtel, ehemals beim FC Hansa Rostock, 1. FC Magdeburg und Berliner Athletik Klub 07 an der Seitenlinie, sowie Robert Klauß (1. FC Nürnberg, Co-Trainer unter Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann bei RB Leipzig), mit denen sich Fischer nach der Einheit mehrere Minuten angeregt unterhielt. Auch Michael Parensen nahm sich ein paar Minuten für einen Plausch.

Zuvor hatten die Fans der Köpenicker bei strahlend hellblauem Himmel und Sonnenschein, aber auch kühlem Wind, einiges zu sehen bekommen. So gelang Julian Ryerson ein herrliches Volleytor mit der Innenseite, wofür der norwegische Nationalspieler Applaus von den mehreren Dutzend anwesenden Anhängern spendiert bekam.

Union Berlin mit intensiven Zweikämpfen und spaßigem Fußballtennis
Auch davon abgesehen war die Stimmung gut, die Spieler pushten sich, die Zweikämpfe wurden intensiv, jedoch nie unfair geführt, es ging ordentlich zur Sache. Fischer studierte dabei erneut eine defensive Viererkette ein. Dabei sind phasenweise leichte Abstimmungsprobleme noch zu erkennen, doch die Mannschaft arbeitet erkennbar daran, diese nach und nach abzustellen.

Durch den großen Kader mussten einige Akteure zeitweise draußen stehen. Jeweils vier durften sich außerdem beim Fußballtennis beweisen und hatten dabei großen Spaß. Besonders die beiden Eigengewächse Aljoscha Kemlein und Mathis Bruns harmonierten prächtig miteinander und lieferten Janik Haberer sowie Genki Haraguchi einen ansehnlichen, engen Schlagabtausch.

Am Nachmittag durften sich die Spieler dann endlich mal erholen, einige waren im Kraftraum, doch auch das Schwimmbad, die beiden Paddle-Tennis-Plätze, die zwei Tennis-Courts und natürlich das Sonnenbaden bieten mehr als genug Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Mal abgesehen von der malerischen Landschaftskulisse, die zum Spazierengehen einlädt.



