In Frankreich sind die Menschen auf die Straße gegangen, als das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre hochgesetzt wurde. In Deutschland müssen die Menschen in diesem Jahr in der Regel 65 Jahre und 11 Monate alt sein, bevor sie eine staatliche Rente bekommen.
Wer 1964 geboren wurde oder später, muss bis zum 67. Lebensjahr warten. Eine Alternative: die Rente mit 63, die allerdings nicht jeder in Anspruch nehmen kann. Wir erklären, was die Voraussetzungen sind und mit welchen Abschlägen Frührentner rechnen müssen.
Rente mit 63 mit Abschlägen: Diese Variante ist für viele Arbeitnehmer attraktiv und sie wird häufig gewählt. „2021 sind rund 177.000 Menschen in die Altersrente für langjährig Versicherte gegangen“, sagt Silke Pottin, Pressereferentin der Deutschen Rentenversicherung Bund. Das sind rund 21 Prozent der Neurentner in 2021 – also jeder Fünfte. Um die Rente mit 63 zu bekommen, müssen vom 17. Lebensjahr bis zum Ende des Arbeitslebens 35 Versicherungsjahre erreicht sein. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann die Rente mit 63 bei der Rentenversicherung beantragt werden. Zur Abgrenzung: Die Rente nach 45 Beitragsjahren für besonders langjährig Versicherte unterliegt anderen Konditionen.
Der Abschlag: Die Tatsache, dass die Rente früher als regulär in Anspruch genommen wird, hat finanzielle Konsequenzen: „Die Rente wird in der Höhe ausgezahlt, die man sich bis zum Renteneintritt mit 63 Jahren erarbeitet hat. Zusätzlich wird ein Abschlag erhoben“, sagt Pottin. Der Abschlag beträgt 0,3 Prozent der Rente pro Monat, den die Rente vorzeitig beginnt. Für den aktuellen Jahrgang 1960 beträgt der Abschlag für eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 63. Lebensjahr 12,0 Prozent. Er steigert sich sukzessive. Der Jahrgang 1964 ist der erste, der den Höchstabschlag von 14,4 Prozent in Kauf nehmen muss. „Der Abschlag gilt lebenslang“, sagt Pottin. Das bedeutet: Auch wenn das reguläre Rentenalter erreicht wurde, bleibt die Rentenzahlung auf dem Niveau der Frührente. „Der Renteneintritt kann ab dem Alter von 63 Jahren fließend erfolgen, jeweils mit den entsprechenden Abschlägen“, sagt Pottin.
Klärung der persönlichen Voraussetzungen: Um Klarheit zu haben, ob ein Anspruch auf die Rente mit 63 besteht und welche Abzüge fällig würden, können Versicherte ab dem 50. Lebensjahr einen Antrag auf Auskunft bei der Rentenversicherung stellen. „Das geht online, telefonisch oder auch persönlich in den Auskunfts- und Beratungsstellen der Rentenversicherung“, sagt Pottin. Die Höhe des Abschlags ist individuell und – das ist die gute Nachricht: Sie kann ganz oder teilweise ausgeglichen werden. „Soll die Rente mit 63 ungekürzt ausgezahlt werden, muss die Sonderzahlung in voller Höhe gezahlt worden sein“, sagt Pottin.
Ein Beispiel für einen solchen Abschlag: „Für eine Rentenminderung in Höhe von 50 Euro ist derzeit eine Sonderzahlung in Höhe von 11.600 Euro erforderlich“, sagt Pottin. Um einen Abschlag von 200 Euro auszugleichen, müssten 52.500 Euro gezahlt werden. „Wer frühzeitig mit der Einzahlung beginnt kann in mehreren Teilbeträgen über einen langen Zeitraum seine Rentenminderung ausgleichen“, rät Pottin. Wer das nicht möchte, kann sich erkundigen, wann die späteste Frist für eine Einmalzahlung ist. „Spätentschlossene können sie bis kurz vor dem 63. Geburtstag leisten“, sagt Wirtschaftsjournalist Matthias Kowalski aus München. Pottin bestätigt, dass die Einzahlung bis zum regulären Rentenalter möglich ist.
Argumente für die Rente mit 63: Trotz der Abzüge beziehungsweise eventuell hohen Sonderzahlungen hält Kowalski die Rente mit 63 für hoch attraktiv. Er hat kürzlich den Stiftung-Warentest-Ratgeber „Früher in Rente und Ruhestand“ veröffentlicht. Er bekam viele Zuschriften von Menschen, die von einem vorgezogenen Renteneintritt träumen. Besonders das Schicksal eines Mannes berührte ihn: „Mit 16 Jahren absolvierte ein heute 58-Jähriger eine Ausbildung zum Buchhalter. Seitdem ist er kontinuierlich in Anstellung gewesen und träumt davon, mehr Zeit für sich selbst zu haben“, berichtet er. Kowalski empfiehlt, sich zu überlegen, welche Prioritäten man fürs Alter hat und nicht vor eventuellen Abschlägen zurückzuschrecken. „Man sollte sich auch ausrechnen lassen, wie groß der Unterschied zur regulären Rente ist. Manchmal ist das weniger, als man meint.“
Grundsätzlich gilt: Damit die Sonderzahlungen sich rentieren, muss der/die Versicherte 16 bis 18 Jahre Rente erhalten, haben Statistiker errechnet. „Wer Zweifel daran hat, dass er so alt wird, sollte aber meiner Meinung nach erst recht mit 63 in Rente gehen, weil seine Rentenzeit ja dann kurz wäre“, sagt Kowalski.
Ein weiterer Vorteil: „Wer früher in Rente geht, dessen Rente wird niedriger besteuert“, sagt Kowalski. Der Staat hebt die Besteuerung von Renten systematisch an. Wer dieses Jahr in Rente geht, muss 83 Prozent seiner Rente versteuern. 2027 werden es schon 87 Prozent sein. Ab 2040 sind 100 Prozent der Rente zu versteuern.
Ein weiteres Argument für die Rente mit 63: Rentner dürfen seit dem 1. Januar unbegrenzt dazu verdienen. „Dadurch wird diese Rente so attraktiv wie nie“, sagt Kowalski. Trotz Rentenbezug werden weiter Entgeltpunkte aus der Beschäftigung gutgeschrieben, sagt Pottin. Die Rente erhöht sich.
Steuervorteile bei Sonderzahlungen: Wer die Rentenminderung durch Sonderzahlung ausgleicht, wird vom Gesetzgeber belohnt, denn dieser fördert private Altersvorsorge. Deshalb hat er Freibeträge eingerichtet. „Diese schöpfen viele Arbeitnehmer nicht aus“, sagt Kowalski. Pottin weist darauf hin, dass die Sonderzahlungen in die Rentenhöhe einfließen. „Da die Renten in der Regel jährlich zum 1. Juli, entsprechend der Lohnentwicklung, angepasst werden, lohnen sie sich besonders.“ In diesem Jahr liege die Rentenanpassung bei 4,39 Prozent in den alten und bei 5,86 Prozent in den neuen Bundesländern.





