Erotik

Weddinger Domina: Diese Fantasien leben Männer bei mir aus

Was passiert bei einer Domina? Warum gehen Männer dorthin? Kann man das auch zu Hause machen? Ein Gespräch mit der Expertin Lady Susan.

Domina Lady Susan zeigt und sagt ihren Kunden seit zwölf Jahren, wo es langgeht.
Domina Lady Susan zeigt und sagt ihren Kunden seit zwölf Jahren, wo es langgeht.Fotokunst Lindsay

Seit zwölf Jahren ist sie Domina, die letzten sieben sogar hauptberuflich: Früher hat Lady Susan als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte gearbeitet, heute betreibt sie ein großzügiges Domina-Studio in Wedding und ist unter anderem auf der Erotik-Plattform Erobella aktiv. Jeden Tag lebt sie mit ihren Gästen deren Fantasien aus, verschnürt sie, peitscht, holt das Wachs raus oder ein Latex-Kostüm. Sex gibt es nicht. Code-Wörter auch nicht, denn Teil des Besuchs bei Lady Susan ist das absolute Vertrauen: „Ich weiß, wie weit ich gehen kann und muss“, sagt sie selbstbewusst.

Es hat etwas Verruchtes, zu einer Domina zu gehen. Nur die wenigstens Menschen würden das frei heraus erzählen. Oftmals ist es schambehaftet, seine – vielleicht nicht ganz mehrheitsfähigen – Fantasien auszuleben und dafür auch noch zu bezahlen. Es ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Dabei ist nichts, was Lady Susan tut, verboten. Und es gibt sogar Gäste, von denen die Frauen wissen, dass sie zur Domina gehen. „Aber nicht jede Partnerin ist offen bei dem Thema. Viele Männer wissen nicht, wie sie ihrer Frau sagen sollen, dass sie zu mir kommen“, sagt Lady Susan. „Und was viele Menschen, die noch nie Kontakt mit einer Domina hatten, auch nicht wissen: Vielfach geht es gar nicht um sexuelle Erregung. Masochisten beispielsweise wollen einfach nur den Schmerz spüren – und dabei schütten sie Glückshormone aus. Denen ist es oft zum Beispiel vollkommen egal, was ich an habe.“

Mit welchen Wünschen die Männer – und es sind fast nur Männer – zu ihr kommen und wie ein Besuch im Domina-Studio aussieht, erklärt die Neuköllnerin hier.

Sich führen lassen

„Die meisten Männer, die zu mir kommen, wollen einfach nur die Kontrolle abgeben, mal nichts entscheiden müssen“, sagt Lady Susan. „Und das sind längst nicht alles Manager, wie es immer wieder heißt. Es sind Männer jeden Alters und jeder Schicht, vom Azubi über den Arbeitslosen bis hin zum Vorstandsvorsitzenden. Die wollen eine Auszeit für den Kopf und sich führen lassen.“ Einige Männer buchen eine sogenannte Session im Keller von Lady Susan. Dort ist eine Gefängniszelle eingebaut, in die sich die Gäste sperren lassen – und dann sind sie einfach mal für niemanden erreichbar. Für sie ist diese Art des Gefangenseins, der Machtabgabe, eine Form von Freiheit. Und auch hier geht es nicht immer zwingend um Sexuelles.

Auspeitschen

Es gibt leichte und schwere Schlagutensilien. „Man muss damit umgehen können“, so Lady Susan. „Das ist jahrelange Übung: Wie fest schlägt man zu? Wohin darf ich schlagen? Die Treffsicherheit ist entscheidend, weshalb ich Anfängern für zu Hause dazu rate, sich in einem Fachgeschäft beraten zu lassen und nicht irgendeine Peitsche im Internet zu bestellen.“

Grundsätzlich gilt: Je länger eine Peitsche, desto schmerzhafter. „Hier kommt es dann auf die Geschwindigkeit an. Wenn ich mehr Schwung hole, tut es natürlich mehr weh. Ich kriege das auch treffsicher mit einer drei Meter langen Peitsche hin. Allerdings muss der Gast dann auch still halten und darf sich nicht bewegen“, so die Domina.

Am häufigsten wird der Po ausgepeitscht. „Da ist von Natur aus eine Fettschicht, sodass man sogar ziemlich intensiv zuschlagen kann, ohne dass etwas kaputtgeht. Es gibt keine lebenswichtigen Organe“, weiß Lady Susan. „Und es ist eine Stelle, die man gut verstecken kann.“ Abgesehen vom Hintern sind der Rücken, die Brustpartie sowie die Brustwarzen – „ein hochsensibles Terrain“ – sehr beliebt, um sich schlagen zu lassen.

Material-Fetisch

Leder, Nylon, Latex. Handschuhe, Strumpfhosen, Bademantel. Worauf ein Mensch steht, was ihn antörnt, ist individuell verschieden. Lady Susan ist auf so ziemlich alle Eventualitäten vorbereitet: „Manch einer möchte, dass ich die Sachen trage, ein anderer will sie selbst anziehen. Beides ist okay. Es ist immer wieder spannend, wie unterschiedlich die Leute doch ticken.“

Heißes Wachs

Sich heißes Kerzenwachs auf die Haut tropfen zu lassen, kann sehr erregend sein: die Wärme, der kurze, schnell nachlassende Schmerz. „Man muss dafür auch keine teuren SM-Kerzen kaufen, herkömmliche tun es auch. Wichtig ist, dass man keine Kerzen aus Bienenwachs benutzt, weil die zu heiß werden und ernste Verbrennungen verursachen können“, sagt die Domina. „Und ich achte darauf, dass die Kerzen unparfümiert sind, weil Geruchsstoffe zu Hautreizungen führen können.“

Anwenden kann man Wachs an allen Körperstellen mit Ausnahme des Kopfes. Die Haut im Gesicht ist viel zu empfindlich. „Meistens fange ich am Oberkörper oder den Armen an und arbeite mich dann zu den empfindsameren Körperteilen vor, sorge also für eine Steigerung“, erklärt Lady Susan. „Und manchmal lasse ich zum Schluss das Wachs in den Bauchnabel tropfen und stelle dann die Kerze hinein.“

Damit sich die Gäste beim Entfernen des Wachses nicht sämtliche Körperbehaarung abreißen, wird die Haut vorher gut eingecremt. Das Fett sorgt dafür, dass sich das Wachs später leicht entfernen lässt. „Dies ist auch ein guter Tipp für die Anwendung im heimischen Schlafzimmer“, so Lady Susan.

Rollenspiele

„Es gibt erstaunlich viele Menschen, die in die Rolle eines Hundes schlüpfen wollen“, stellt die Domina fest. Um diesen Wünschen gerecht zu werden, hat sie extra ein großes, ganz gemütliches Hundebett gekauft, in das auch ein erwachsener Mann bequem reinpasst. Beim sogenannten Petplay geht es darum, tierische Verhaltensweisen nachzuahmen, also beispielsweise den Ball zu holen wie ein Hund oder „Kunststückchen“ aufzuführen, um danach selbstverständlich vom Frauchen gelobt und gestreichelt zu werden.

Beliebt sind natürlich auch Schul-Rollenspiele, bei denen Lady Susan die strenge Internatslehrerin mit dem Rohrstock gibt, die den ungezogenen Schüler zur Räson bringt. „In solchen Situationen muss man spontan sein, weil das Rollenspiel ja nichts ist, was man auswendig lernt oder üben kann. Es lebt von dem Moment, vom Agieren und Reagieren“, beschreibt Lady Susan. „Natürlich mache ich mir vorher Gedanken, in welche Richtung es gehen könnte, oder einige Gäste kenne ich schon über Jahre, aber die wollen logischerweise nicht jedes Mal die gleiche Geschichte erleben. Das wär ja langweilig.“

Fesseln

Sich fixieren zu lassen sei für viele ihrer Gäste „ein zentrales Thema“, sagt Lady Susan. „Ich habe eine sehr große Handschellensammlung, die wahnsinnig gefragt ist. Es gibt aber auch Männer, die mehr darauf stehen, komplett in Frischhaltefolie eingewickelt zu werden. Folienbondage vermittelt ihnen einfach ein gutes Gefühl. Die sind happy, wenn sie sich nicht rühren können – das ist der Sinn des Ganzen. Manchmal wollen die Männer dann drei Stunden vor sich hin schmoren, bevor sich sie wieder auspacke.“

Darüber hinaus hat Lady Susan auch einen sogenannten Lederfesselsack. „Der sieht aus wie ein Schlafsack mit seitlichen Schlaufen für die Arme und ist quasi im Dauereinsatz. Es gibt an den Seiten auch etliche Gurte, um alles richtig festzuzurren. Oben guckt der Kopf raus. Oftmals möchten die Männer aber noch zusätzlich eine Ledermaske tragen. Sie fühlen sich dabei warm und geborgen wie in einem Kokon.“

Und was ist mit den Frauen?

Weibliche Gäste hat die Domina nur sehr selten, vielleicht ein oder zwei im Jahr: „Frauen kommen auch mit anderen Themen, sie ticken ganz anders, haben eine viel pragmatischere Herangehensweise. Oftmals machen Frauen sich mehr Gedanken und Sorgen darüber, was ich wohl über sie denke. Sie können sich weniger leicht fallen lassen. Und ich habe festgestellt, dass sie eher eine emotionale Basis brauchen, Dinge also eigentlich lieber in einer festen Partnerschaft ausprobieren.“

Dass die Männer ihre Fantasien nicht mit ihren Partnerinnen ausleben, ist auch darin begründet, dass viele der Frauen sich scheuen, weiß Lady Susan: „Die meisten hätten durchaus ein Interesse an Fetisch oder BDSM, wissen aber nicht, wie sie das richtig umsetzen sollen. Es fängt ja schon damit an, dass die wenigstens Menschen wissen, wie man Sextoys richtig benutzt. Da empfehle ich immer, unbedingt in ein Fachgeschäft zu gehen, um die Dinge anzufassen, sie sich erklären zu lassen. Da sollte man sich nicht schämen. Lust ist doch etwas Tolles!“ Alternativ könne man auch in einen Sadomasoclub gehen. Es gibt auch entsprechende Stammtische, wo man sich austauschen kann.

Ebenso kann man Workshops bei Dominas belegen. „Ich selbst biete das auch an, und das ist immer sehr spaßig. Die Paare gewinnen so an Sicherheit, und es schweißt sie zusammen, wenn sie nach Jahren der Beziehung etwas entdecken, das total neu ist“, so Lady Susan.