Extremismus

Staatsrechtler zu Zensurplänen der Regierung: Auch abstoßende Meinungen sind ein Grundrecht

Innenministerin Nancy Faeser will gegen die „Verhöhnung“ des Staates vorgehen, Familienministerin Lisa Paus gegen „Hass im Netz“. Ein Rechtsexperte ist besorgt.

Die Bundesministerinnen Nancy Faeser (r.) und Lisa Paus
Die Bundesministerinnen Nancy Faeser (r.) und Lisa PausMichael Kappeler/dpa

Unter Rechtsexperten gibt es deutliche Kritik an aktuellen Plänen der Bundesministerinnen Nancy Faeser (SPD) und Lisa Paus (Grüne). „Bei aller Berechtigung der Bekämpfung des Extremismus muss doch bei allen Aktionen und Maßnahmen das Grundrecht der Meinungsfreiheit beachtet werden“, sagt der Staatsrechtler Josef Franz Lindner der Berliner Zeitung.

Grundsätzlich gelte: „Jede Meinung darf geäußert werden, auch pointiert überspitzte, unreflektierte, politisch unkorrekte oder gar abstoßende Ansichten.“

Hintergrund sind Aussagen der Politikerinnen über den Kampf gegen Hass und Extremismus. So hatte Innenministerin Faeser in Bezug auf Rechtsextremisten gesagt, dass „diejenigen, die den Staat verhöhnen“, es „mit einem starken Staat zu tun bekommen“ müssten. Familienministerin Paus will gegen „Hass im Netz“ vorgehen. Sie kündigte an, Gesetze überprüfen und eventuell nachjustieren zu wollen. Kritiker fürchten, dass die Meinungsfreiheit beschnitten werden könnte.

Staatsrechtler Lindner: Es gilt das allgemeine Strafrecht

Eine Grenze für Meinungsäußerungen bilde erst das allgemeine Strafrecht, das besonders Beleidigungen, Volksverhetzung oder die Verunglimpfung des Staates verbiete, sagt der Staatsrechtler Lindner. „Unterhalb der Strafbarkeitsgrenze geäußerte Meinungen genießen Grundrechtsschutz.“

Lindner betont: „Auch staats- und regierungskritische oder von der Politik unerwünschte Meinungen sind vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt. Es ist grundrechtswidrig, unter Berufung auf einen unbestimmten Begriff wie ‚Staatswohlgefährdung‘ bestimmte Meinungen einfach zu untersagen.“

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FDP blockiert Demokratiefördergesetz von SPD und Grünen

Hinter alledem steht der Streit über das Demokratiefördergesetz. Die FDP blockiert das Vorhaben ihrer Koalitionspartner SPD und Grüne. Erklärtes Ziel des geplanten Gesetzes ist es, Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie, gesellschaftliche Vielfalt und die Prävention von Extremismus einsetzen, mit einer besseren finanziellen Grundlage auszustatten.

Die FDP fordert eine sogenannte Extremismusklausel für das Gesetz. Damit soll die Geldvergabe strenger kontrolliert werden.

„Jeder, der Geld vom Staat haben will, muss sich klar gegen Extremismus wie Antisemitismus, Islamismus, Rechts- und Linksextremismus bekennen“, sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer der Nachrichtenagentur AFP. „Immer wieder stattfindende antisemitische und israelfeindliche Ausschreitungen, besonders aus dem propalästinensischen Milieu, zeigen, der Blick nur auf Rechtsextremismus greift viel zu kurz.“