Berlin - Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat bestätigt, dass seine Beamten mit den Kollegen aller Länder die Überwachung der muslimfeindlichen Szene sowie Anti-Islam-Hetzblogs prüft. Diese Prüfung ist ein Schritt, der der systematischen Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln vorgelagert ist. Wie ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz erklärte, haben die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern im Herbst eine Arbeitsgruppe gegründet, die das verfassungsfeindliche Verhalten auf Seiten wie „Politically Incorrect“ oder „Nürnberg 2.0“ prüft.
Gestörtes Verhältnis zum demokratischen Rechtsstaat
Dieser Zeitung gegenüber hatte der Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, Manfred Murck, zuvor erstmals offiziell diese Prüfung bestätigt. Es gehe darum, ob muslimfeindliche Hetze als eigene verfassungsfeindliche Bestrebung zu bewerten sei – oder nur als eine Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit vor allem innerhalb der rechtsextremen Szene, die bereits beobachtet wird.
Unstrittig sind laut Murck die Anhaltspunkte dafür, dass die Betreiber vieler antimuslimischer Internetseiten „ein gestörtes Verhältnis zum demokratischen Rechtsstaat“ haben. Auf den einschlägigen Websites fänden sich häufig „Angriffe auf die vom Grundgesetz geschützten Menschenrechte“.
Diese komplexe Prüfung ist noch nicht abgeschlossen
Der Bundesverfassungsschutz bestätigte nun, Anlass der Prüfung seien vor alle die Attentate des norwegischen Extremisten Anders Behring Breivik gewesen, der im Juli vergangenen Jahres im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet hatte. Breivik war später für unzurechnungsfähig erklärt worden.
Der Sprecher betonte jedoch, bereits seit dem Frühjahr 2011 werde „weit intensiver“ geprüft, ob und in inwieweit bei der islamfeindlichen Agitation im Netz eine extremistische Ausrichtung festzustellen sei. „Diese komplexe Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“
Bagatellisierung der Gefahr von Rechts durch die Sicherheitsbehörden
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, nannte den Schritt überfällig. „Blogs und Internetseiten wie "Politically Incorrect" oder "Nürnberg 2.0" befördern ganz klar einen Rassismus, der tief in die Mitte der Gesellschaft reicht“, erklärte Jelpke. „Sie stellen die Würde und die Rechte einer ganzen Gruppe von Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit in Frage. Damit stellen sie sich klar gegen wesentliche Werte des Grundgesetzes.“
Dass die Behörden trotz des eindeutigen Erstarkens einer islamfeindlichen Szene am rechten Rand des politischen Spektrums jahrelang untätig waren, reihe sich ein in die Skandalgeschichte um die Bagatellisierung der Gefahr von Rechts durch die Sicherheitsbehörden, so Jelpke.