Berlin - Ungeachtet der großen Koalition in der Hauptstadt treibt die Bundes-SPD den Berliner CDU-Innensenator Frank Henkel in die Enge. Angesichts seiner Versäumnisse bei den NSU-Ermittlungen legte die SPD-Obfrau im Bundestagsuntersuchungsausschuss, Eva Högl, Henkel den Rücktritt nahe.
„Entweder der Berliner Innensenator übermittelt alle vorhandenen Akten über die Werbung und Abschöpfung des V-Manns unmittelbar dem Ausschuss oder er muss zurücktreten“, sagte sie Spiegel online. Der Versuch Henkels, einen Sonderermittler in seiner Behörde recherchieren zu lassen, sei eine Unverschämtheit. „Herr Henkel hat offenbar immer noch nicht verstanden, worum es hier geht“, so Högl.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, erklärte der Berliner Zeitung: „Herr Henkel muss erklären, warum er das Parlament belogen und Informationen nicht weiter gegeben hat. Davon mache ich abhängig, welche Konsequenzen ich fordere.“
Merkel meldet sich zu Wort
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte am Montag fest, die Aufklärung laufe „an einigen Stellen nicht so, wie wir das für richtig halten“. Darauf müsse man reagieren.
Am Dienstag findet auf Verlangen von Grünen, Linken und Piraten im Abgeordnetenhaus eine Sondersitzung des Innenausschusses statt. Die Abgeordneten wollen wissen, welche Hinweise Thomas S., der V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes von 2000 bis 2011 war, auf den Aufenthaltsort von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gab und ob der Innensenator Akten zurück hielt. Thomas S., der dem Trio Sprengstoff lieferte und deshalb selbst Beschuldigter ist, soll 2002 und 2005 fünfmal Hinweise gegeben haben.
Henkel hatte seit März Kenntnis von dem Vorgang. Er leitete sein Wissen aber nicht an den NSU-Untersuchungsausschuss weiter, obwohl dieser bei den Bundesländern ausdrücklich angefragt hatte.
Henkel hätte Brisanz erkennen müssen
Dabei musste Henkel um die Brisanz der Information wissen. Spätestens als im Frühsommer die „Operation Rennsteig“ bekannt wurde, deren Ziel es war, V-Leute im NSU-Vorläufer „Thüringer Heimatschutz“ zu gewinnen. Es ging um die Frage, wie nah die Sicherheitsbehörden dem NSU gekommen sind und hätten Morde verhindert werden können? Henkel hat sein Schweigen gegenüber dem Untersuchungsausschuss damit begründet, dass er weitere Ermittlungen der Bundesanwaltschaft nicht habe gefährden wollen. Dieser Darstellung widersprach die Bundesanwaltschaft am Montag nicht.
Derweil ist der frühere Innensenator Ehrhart Körting (SPD) aus der Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung der Neonazi-Morde ausgetreten. Er habe die Aufgabe übernommen, als eine Verbindung Berlins mit dem NSU-Umfeld nicht erkennbar gewesen sei, schreibt Körting an den Kommissionsvorsitzenden, Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Von dem V-Mann Thomas S. habe er nichts gewusst. Doch um den Anschein von Befangenheit zu vermeiden, stehe er nun nicht mehr bereit. In Körtings Amtszeit wurde Thomas S. als V-Mann geführt.