In der Linkspartei rumort es nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe von sexuellen Übergriffen im Landesverband Hessen. Unter dem Hashtag #LinkeMeToo versammeln sich Betroffene und andere, die sich an sexistischen Praktiken in der Partei stören. Auch die in Berlin lebende Bundesgeschäftsführerin der Linksjugend solid, der Jugendorganisaton der Partei, Anna Westner (22) hat Betroffene aus anderen Landesverbänden bereits unterstützt. Sie fordert fundamentale Änderungen im Umgang mit dem Thema in der Linkspartei.
Frau Westner, unter dem Twitter-Hashtag #LinkeMeToo finden sich bereits mehrere Erzählungen von Betroffenen. Wie oft kommen derartige Vorfälle wie in Hessen denn vor?
Einzelfälle sind es auf jeden Fall nicht. Mir sind aus meinem Heimatbundesverband allein mehrere Fälle bekannt. In Nürnberg gab es Anschuldigungen gegen ein Mitglied, der bei Gruppenfotos Frauen an den Hintern gegrapscht haben soll. In anderen Kreisverbänden gab es auch Anschuldigungen. Betroffene sollen dort den Vorwürfen nach bedrängt und zum Sex überredet worden sein.
Wenn es einvernehmlich ist, ist es erstmal legal. Wann überschreitet es die Grenze?
Die Frage, wie einvernehmlich es ist, wenn ein 25 Jahre älterer Mann, der in einer Machtposition sitzt, einvernehmlichen Sex mit einer jungen Frau haben kann, die 18, 19 oder, wenn noch extremer, auch jünger ist, die kann man stellen.
Wer sind die Täter?
Meistens sind es Männer mittleren Alters, die sich dafür feiern, Sex mit einer jungen Frau zu haben. Für die ist es fast schon ein Wettbewerb.
Der Altersunterschied im konkreten Fall in Hessen war durchaus beachtlich. Was passiert dort, dass die Täter damit zunächst Erfolg haben?
Die Männer versprechen den jungen Genossinnen schöne Posten und eine Karriere in den Parteistrukturen. Ansonsten werden Frauen in der Linkspartei oft mit unwichtigen Tätigkeiten abgespeist. Wegen der Quote müssen Frauen zwar in die Vorstände gewählt werden. Oft werden sie dann aber dazu verdonnert, Sitzungsprotokolle zu schreiben, während die nach außen sichtbaren Posten, wie Pressesprecher oder Vorstände, häufig von Männern besetzt werden.
Ein Problem, dass auch aus dem Spiegel-Artikel deutlich wird, ist ja, dass die Parteigremien die Vorwürfe lange Zeit ignoriert haben. Sind Ihnen solche Probleme auch bekannt?
Ja, das war leider nicht nur in Hessen so. Auch bei den von mir beschriebenen Vorfällen in Bayern, wurden die Betroffenen zum Schweigen gebracht. Da hieß es dann, dass sie nur eine Hetzkampagne betrieben, um die Täter von den Listenplätzen zu verdrängen. Manchmal wurde gesagt, dass es doch alles einvernehmlich gewesen sei und sich die Betroffenen nicht so anstellen sollten.
Immerhin könnten sich die Frauen aber gerichtlich wehren. Warum ist das nicht geschehen?
Da gibt es unterschiedliche Gründe dafür. Zunächst steht oft Aussage gegen Aussage. Meist hieß es dann von den Vorständen oder damit betrauten Parteigremien, dass die Betroffenen die Sachen intern klären sollen. Das zog sich dann aber mitunter solange hin, bis juristische Fristen verstrichen waren. Danach hieß es dann, dass es ja keine Urteile gäbe.
Das muss für die Opfer frustrierend gewesen sein. Wie sind sie damit umgegangen?
Der psychische Druck war groß. Oft gab es dann auch eine Täter-Opfer-Umkehr, wo dann die Betroffenen auf Unterlassungserklärungen verklagt wurden. Manche wurde regelrecht rausgemobbt. Andere haben von selbst die Linkspartei verlassen.
Was sollte passieren, um solche Vorfälle in der Linkspartei zukünftig zu verhindern?

