Als am Sonntagvormittag die Abgeordneten des kosovarischen Parlaments nach mehr als einstündiger Verzögerung in den Plenarsaal traten, war die Spannung greifbar. Zum dritten Mal in seiner politischen Karriere wollte sich Albin Kurti, Vorsitzender der Bewegung Vetëvendosje (Selbstbestimmung), zum Ministerpräsidenten des Balkanlandes wählen lassen. Das Ergebnis: ein Scheitern, das abzusehen war. Nur 56 Abgeordnete stimmten für die Bildung seines Kabinetts, 52 votierten dagegen, vier enthielten sich. Damit verfehlte Kurti die für eine Mehrheit notwendige Marke von 61 Stimmen im 120 Sitze zählenden Parlament.
Die Abstimmung kann im Kosovo als Symptom einer tieferliegenden politischen Krise gewertet werden. Seit mehr als neun Monaten lähmen institutionelle Blockaden und parteipolitische Grabenkämpfe das Land. Kurti, der seit 2020 als Ministerpräsident den jungen Balkanstaat regiert, gilt für viele Analysten als Ursache dieses Stillstands. Seine oftmals kompromisslose und konfrontative Haltung gegenüber politischen Gegnern hat die Vetëvendosje – trotz Verlusten – weiterhin als stärkste politische Kraft im Land etabliert, aber gleichzeitig auch nahezu koalitionsunfähig gemacht. Führende Oppositionspolitiker aus dem Lager relevanter Parlamentsfraktionen schließen eine Zusammenarbeit mit Albin Kurti bereits seit Jahren kategorisch aus.
Die andauernde Krise muss nun von Präsidentin Vjosa Osmani gelöst werden. Sie hat die Aufgabe, innerhalb von zehn Tagen einen neuen Regierungsbildner zu benennen. Sollte auch dieser Versuch scheitern, sieht die Verfassung Neuwahlen innerhalb von 40 Tagen vor. Schon jetzt mehren sich Stimmen, die darin die einzig glaubwürdige Option sehen, um das Land aus der politischen Sackgasse zu führen.

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