Kolumne

„Hunderte Russen zu Dünger gemacht“? Ich will solche Sprüche nicht hören

Bei vielen Journalisten herrscht zur Schau gestellte Coolness, wenn es um Putins Atomdrohungen geht. Und auch der Krieg an sich wird oft seltsam distanziert betrachtet. Eine Kolumne.

ARCHIV: Eine Interkontinentalrakete des Typs Yars wird vom Startplatz Plesetsk im Nordwesten Russlands abgefeuert
ARCHIV: Eine Interkontinentalrakete des Typs Yars wird vom Startplatz Plesetsk im Nordwesten Russlands abgefeuertRussian Defense Ministry Press/dpa

Warum kann ich nicht sein wie Nico Lange? Russland hat gerade seine neueste Hyperschallrakete in Dnipro vorgeführt, mit Mehrfachsprengkopf; ein Video zeigt, wie elliptische Blitze aus den Wolken auf die Stadt herniederfahren. Mir stockt der Atem. Nico Lange, Politikberater und Militärexperte, bekannt aus Presse, Funk und Fernsehen, tippt derweil in sein Endgerät, Putin wirke, „als hätte er einen harten Treffer kassiert. Jetzt nachlegen wäre richtig.“ Nachlegen. No risk, no fun. Der Mann ist so cool, dass er aufpassen muss, beim Pinkeln nicht an der Rinne festzufrieren.

Auch die weitaus meisten seiner Auskennerkollegen kennen keinerlei Hyperventilation: Ach, nichts als hohle Drohungen aus Moskau. Wortgetöse. Putin will bloß, dass wir Angst haben, sagt Katrin Göring-Eckardt. Sie will, „dass wir Stärke zeigen“. Ihre tief gefühlte Sachkunde wird im Talk-Studio stark beklatscht. Furcht und Vorsicht sind bei Atemwegsinfektion oder Klima wünschenswert, aber doch nicht wegen eines 0-8-15-Weltkriegsbluffs. Ach wo, das traut der Kreml sich nie. Sogar Robert Habeck, der bei seiner Parteitagsrede – von der eigenen seelischen Schönheit ergriffen – feuchte Augen bekam, selbst dieser empfindsame Majestätsbeleidigungsanzeigenhauptmeister hat Schneid genug, um mit Taurus mal richtig nachlegen zu wollen.

Berliner Zeitung

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