LGBT+

Die Story der Pride-Demos und warum wir sie immer noch brauchen

Der Christopher Street Day steht seit über 40 Jahren für den Kampf gegen Diskriminierung queerer Menschen. Trotzdem haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Christopher Street Day 1989, Berlin-Charlottenburg
Christopher Street Day 1989, Berlin-CharlottenburgIMAGO/Michael Hughes

Begonnen hat alles in New York

Infobox image
Story
1969: Die Stonewall-Unruhen waren eine Reihe spontaner Proteste von Mitgliedern der Queer-Community in New York City als Reaktion auf die Brutalität der Polizei. Am Morgen des 28. Juni 1969 führte die Polizei eine Razzia im Stonewall Inn in der Christopher Street im Stadtteil Greenwich Village in New York City durch. Die Besucher des Stonewall, anderer Lesben- und Schwulenbars im Village und Nachbarn wehrten sich, als die Polizei gewalttätig wurde. Die Proteste, angeführt von queeren Schwarzen und Trans-Menschen gelten weithin als Symbol und Inspiration für den Widerstand der LGBTQI-Gemeinschaft gegen Diskriminierung.

1970: Am ersten Jahrestag der Stonewall-Unruhen fanden die erste Pride-Paraden gleichzeitig in Chicago, Los Angeles, New York City und San Francisco statt. Die Veranstaltungen wurden danach jährlich abgehalten und wuchsen international.

1972: Eine Demonstration mit etwa 100 bis 200 Teilnehmern fand am 29. April 1972 in Münster statt, bei der politische Forderungen im Mittelpunkt standen und Parolen wie „Homos raus aus den Löchern“ und „Lieber ein warmer Bruder als ein kalter Krieger“ gerufen wurden.

1979: Die erste Berliner CSD-Demo fand am 30. Juni 1979 in West-Berlin mit ca. 400 Teilnehmern statt. Die Mottos waren „Mach dein Schwulsein öffentlich!“ und „Lesben erhebt euch und die Welt erlebt euch!“

Wo die queeren Communities am stärksten sind

Im Jahr 2019 fanden einige der größten Pride-Paraden der Geschichte statt, da sich die Stonewall-Unruhen zum 50. Mal jährten. Da es auch das letzte Jahr war, in dem Massenveranstaltungen vor der Corona-Pandemie stattfinden konnten, sind in der obigen Grafik die Besucherzahlen mehrerer Städte auf der ganzen Welt bei Prides 2019 zusammengefasst.

Die größte Beteiligung herrschte dabei in New York, wo alles begann: Vier Millionen Einheimische und Besucher nahmen teil, was ca. 50 Prozent der Stadtbevölkerung von New York entspricht. Der größte südamerikanische Pride-March fand in Sao Paulo satt. In Deutschland ist immer noch der Kölner Pride vor dem Berliner der bestbesuchte CSD, obwohl Berlin 2019 mit der satten Zahl von einer Million Besuchern prahlen konnte, doppelt so viel wie in Paris.

Einigen anderen Weltstädten erging es nicht so gut: Die 40-Millionen-Metropole Tokio verzeichnete nur etwa 100.000 Besucher. In Istanbul und Skopje waren es jeweils nur ein paar Hundert Menschen: In Istanbul war die Pride von den Behörden verboten worden, in Skopje fand sie zum ersten Mal statt.


Die Geschichte der Flagge

Die Regenbogenflagge ist wohl das bekannteste Symbol der LGBTQ-Community. In den vergangenen 44 Jahren wurde sie mehrfach umgestaltet.

1. Die Erste — Die ursprüngliche Pride-Flagge wurde 1978 vom Künstler und Aktivisten Gilbert Baker geschaffen. Die Farbe Hot Pink (ganz oben) wurde später aus Produktionsgründen entfernt, während Indigo und Türkis durch einen einzigen Blauton ersetzt wurden.

2. Die Bekannteste — Die am weitesten verbreitete Version der Flagge, entstanden im Jahr 1979, mit sechs Farben.

3. Die Philadelphia — Im Juni 2017 verabschiedete die Stadt Philadelphia eine überarbeitete Version der Flagge (entworfen von der Marketingfirma Tierney), die schwarze und braune Streifen an der standardmäßigen sechsfarbigen Flagge hinzufügt, um die Aufmerksamkeit auf die Probleme von People of Color innerhalb der LGBT-Community zu lenken.

4. Die Progress — Im Juni 2018 veröffentlichte der Designer Daniel Quasar einen neuen Entwurf, der Elemente sowohl der Philadelphia-Flagge als auch der Trans-Pride-Flagge enthielt, um den Fokus auf Inklusion und Fortschritt innerhalb der Gemeinschaft zu legen. Das Flaggendesign verbreitete sich schnell als Progress Pride Flag in den sozialen Medien.

5. Die Jüngste — Im Jahr 2021 gestaltete Valentino Vecchietti von Intersex Equality Rights UK die Progress Pride Flag neu und integrierte die Intersex-Flagge.


Warum wir immer noch für LGBT-Rechte kämpfen müssen ...

... in Europa

Der europäische Zweig der ILGA (Internationale Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexuellenvereinigung) erstellt jedes Jahr eine Rangliste auf der Grundlage der Gesetze und politischen Praktiken, die die Länder zum Schutz der Menschenrechte von LGBTQ-Personen und zur Förderung der Gleichstellung in Europa anwenden.

Der Gewinner für 2022 ist mit Abstand Malta, das noch vor ein paar Jahren ganz unten auf der Liste stand. Es folgen Dänemark und Belgien, während Deutschland mit 53 % auf Platz 15 (von 49) liegt.

Die östlichen EU-Länder und Italien schnitten im Allgemeinen nicht so gut ab und erreichten so wenig wie 13 % (Polen). Die schlechtesten Werte auf der Liste erhalten jedoch Aserbaidschan, die Türkei und Armenien.

... in Deutschland

Gleichstellung und Antidiskriminierung: Der verfassungsrechtliche Schutz aufgrund der sexuellen Orientation und der Geschlechtsidentität besteht nur in einigen Bundesländern (einschließlich Berlin) und gilt nicht für die Geschlechtsmerkmale. Das Verbot der Konversionstherapie schützt nur Personen unter 18 Jahren, und Therapien können von Erziehungsberechtigten durchgeführt werden, sofern sie als „unbedenklich“ für das Wohlergehen des jungen Menschen angesehen werden.

Familie: Zu den Rechten in dieser Kategorie, die in Deutschland laut ILGA Europe noch nicht geschützt sind, gehören die automatische Anerkennung von Co-Eltern, die medizinisch unterstützte Insemination für Paare und Singles sowie die Anerkennung von Trans-Elternschaft.

Hassverbrechen und Hassreden: In Deutschland gibt es nur Richtlinien, aber keine Gesetze zum Schutz vor Hassverbrechen und Hassreden aufgrund von sexueller Orientierung, geschlechtlicher oder intersexueller Identität, und das auch nur in bestimmten Bundesländern (einschließlich Berlin).

Rechtliche Anerkennung des Geschlechts: In dieser Kategorie erfüllt Deutschland die meisten Kriterien, mit Ausnahme des Rechts auf Selbstbestimmung, der Entpathologisierung und der Abschaffung des Erfordernisses einer Diagnose der Geschlechtsidentitätsstörung oder eines psychologischen Gutachtens. Das Gesetz verlangt zwei unabhängige Gutachten, die aber nicht unbedingt psychologisch sein müssen oder auf einer GID-Diagnose beruhen. Das Gesetz selbst nennt drei Kriterien, nach denen die „mit Transsexualismus vertrauten“ Sachverständigen ihre Gutachten zu erstellen haben.

Intersexuelle körperliche Unversehrtheit: In Deutschland gibt es ein bundesweites Verbot von medizinischen Eingriffen, bevor ein Kind in der Lage ist, über sein Geschlecht zu entscheiden. Die Kriterien, die es im ILGA-Index nicht erfüllt, sind das Vorhandensein eines wirksamen Überwachungsmechanismus, die Allgemeingültigkeit des Verbots medizinischer Eingriffe und der Zugang zur Justiz für Opfer und Wiedergutmachung.

Zivilgesellschaft: Dies ist die einzige Kategorie, in der Deutschland ein perfektes Ergebnis erzielte. Sie umfasst Kriterien wie die Möglichkeit, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen, Meinungsfreiheit und keine Gesetze, die die externe Finanzierung von LGBT-Organisationen einschränken.

Asylrecht: In Deutschland gibt es Gesetze und Richtlinien zur Anerkennung von Asylbewerbern aufgrund ihrer sexuellen Orientation und Geschlechtsidentität, nicht aber von intersexuellen Menschen. Dies gilt insbesondere für Asylbewerber aus Ländern, in denen Homosexualität strafbar ist.

... weltweit

In 74 Ländern der Welt ist Homosexualität kriminalisiert. In all diesen Ländern können Menschen verhaftet werden, weil sie schwul, trans oder queer sind. Einige Länder sanktionieren Homosexualität auch durch verschiedene Bestrafungen wie Geldstrafen, Auspeitschung oder sogar durch den Tod. In einigen dieser Länder gelten die Gesetze nur für Männer bzw. hängt die Schwere der Strafe vom Geschlecht der betreffenden Personen ab.

Die Todesstrafe für Homosexualität wird in Afghanistan, Brunei, Irak, Iran, Jemen, Libyen, Mauretanien, Nigeria, Saudi-Arabien und Somalia verhängt.


Quellen: Human Rights Watch, ILGA, ILGA Europe, Auswärtiges Amt, World Factbook, queer.de, Wikipedia.