Wahlwiederholung

Berliner Wahlwiederholung: Jetzt auch noch ein Volksentscheid?

Soll am 12. Februar neben den Berlin-Wahlen auch über den Volksentscheid für mehr Klimaschutz abgestimmt werden? Schon wieder eine Mehrfach-Wahl? Das gibt Ärger.

Unterschriftensammler für das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“
Unterschriftensammler für das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“Volkmar Otto

Ein Termin ist bekannt: Am 12. Februar kommenden Jahres werden die Wahlen zu Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) wiederholt. Doch was passiert mit dem Volksentscheid für mehr Klimaschutz, der auch zur Abstimmung ansteht? Sollten beide an einem Termin geschehen? Die Frage führt zu Streit in der rot-grün-roten Koalition in Berlin.

Die (SPD-geführte) Senatsinnenverwaltung warnt vor einer Überforderung. Die Grünen und die Initiatoren des Volksentscheids hingegen wittern Verfahrenstricks. Die SPD, so die Unterstellung, wolle einen gemeinsamen Abstimmungstermin verhindern, weil dieser vor allem Grünen-Anhänger mobilisieren könnte.

Nächsten Dienstag soll die Innenverwaltung eine Vorlage in den Senat einbringen. Auf dieser Grundlage werde dann über das weitere Vorgehen entschieden.

Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die rund 254.000 eingereichten Unterschriften geprüft sein. Sollten tatsächlich die nötigen mindestens 170.437 gültigen Unterschriften zusammenkommen, muss es innerhalb von vier Monaten einen Volksentscheid geben. Aber muss er am Wahltag stattfinden?

Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler weist darauf hin, dass bereits die kurze Vorbereitungszeit für die Wiederholungswahl von 90 Tagen eine Herkulesaufgabe sei. „Ein zusätzlicher Volksentscheid stellt uns vor eine kaum lösbare Aufgabe“ – allein mit Blick auf die erforderlichen politischen Entscheidungen und die logistischen Prozesse. So müssten die Unterlagen zum Volksentscheid gemeinsam mit den Briefwahlunterlagen bereits ab dem 2. Januar 2023 verschickt werden.

Bröchler sieht darin ein großes Risiko: „Ich sehe es als meine Pflicht an, als Landeswahlleiter darauf hinzuweisen, dass die Verbundwahl aus Abgeordnetenhauswahl, BVV-Wahlen und Volksentscheid, die gelingende Durchführung der Wiederholungswahl infrage stellt.“ So habe er aus den Bezirken die „deutliche Rückmeldung“ erhalten, „dass die reibungslose Durchführung der Wiederholungswahl durch einen gleichzeitig stattfindenden Volksentscheid ernsthaft gefährdet ist“, so Bröchler. Nicht wenige Grüne sehen darin eine „bestellte Skepsis“, bestellt von der Senatsinnenverwaltung.

In Pankow wurden vor einem Jahr die meisten Fehler dokumentiert. Jetzt sieht der Bezirk eine Zusammenlegung der Wahltermine kritisch

Doch wer sind „die Bezirke“ überhaupt, von denen der Landeswahlleiter spricht? Es kommt, wie immer, darauf an, wen man fragt.

In Pankow wurden vor einem Jahr die meisten Unregelmäßigkeiten protokolliert, die das Verfassungsgericht schließlich dazu brachten, die Wahl in Gänze für ungültig zu erklären. Entsprechend groß ist im Berliner Nordosten jetzt der Druck, die Vorgaben des Gerichts eins zu eins umzusetzen.

Als besonders kompliziert erweist sich die Aussage des Gerichts, jeder Wahlberechtigte müsse am Wahltag in Präsenz abstimmen können. Das bedeutet, dass es deutlich mehr Kabinen pro Wahllokal geben muss. In Pankow rechnet man derzeit mit fünf oder sechs Kabinen. Sollte der Volksentscheid dazukommen, würden mehr gebraucht, weil jeder Wähler länger in der Kabine verbleiben würde, um den Text des Volksentscheids zu lesen und zu verstehen.

Pankow will Sporthallen als Wahllokale nutzen. Das würde wochenlange Schließungen bedeuten

Deshalb werde schon überlegt, Turnhallen als Wahllokale zu nutzen, heißt es aus dem Bezirksamt Pankow. Dafür müssten Sportveranstaltungen abgesagt werden, damit die Hallenböden mit einem Schutzbelag versehen werden können. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass im Pankower Bezirkswahlamt eine zusätzliche Abstimmung am 12. Februar kritisch gesehen wird, wie die Berliner Zeitung erfuhr.

Oliver Nöll (Linke), Friedrichshain-Kreuzbergs Stadtrat für Bürgerdienste und damit zuständig für die ordnungsgemäße Wahlorganisation im Bezirk, würde politisch eine Zusammenlegung beider Abstimmungen begrüßen, wie er auf Anfrage der Berliner Zeitung mitteilt. Aber er fürchte neue Wahlanfechtungsgründe – wenn es etwa erneut zu Verzögerungen und damit längeren Öffnungszeiten nach 18 Uhr führen könnte, weil die Menschen mehr Zeit für den Volksentscheid bräuchten. „Daher sehe ich in meiner Verantwortung eine Zusammenlegung in dieser speziellen Situation der äußerst kurzen Vorbereitungszeit sehr kritisch“, so Nöll.

Für eine Zusammenlegung der Termine spricht sich dagegen Tempelhof-Schönebergs Bürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) aus. „Aus meiner persönlichen Sicht macht es Sinn, weil wir sonst noch einmal alles vorbereiten müssten“, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Ein Kunststück, möchte man sagen, schließlich gab es in diesem Bezirk vor einem Jahr kaum Pannen. Anzahl und Zuordnung der Stimmzettel wurden nicht beanstandet, in nur wenigen Wahllokalen im Bezirk wurde noch nach 18 Uhr abgestimmt.

Die CDU stellt keinen Bezirksbürgermeister. Dennoch steht die Fraktion im Abgeordnetenhaus in der Frage klar auf der Seite der Senatsinnenverwaltung und des Landeswahlleiters. „Machen wir doch mal, was (der) gesunde Menschenverstand klar vorgibt und nicht was Klientelgruppen so unbedingt gegen Interessen Vieler fordern“, twittert der CDU-Abgeordnete Dirk Stettner. Und das bedeute: „Erst einmal verfassungsgemäße Wahlen sichern und durchführen. Ohne Marathon, Volksentscheide, Loveparade etc...“ Wahlbeobachter der OSZE, wie sie sich für diese Wahl angekündigt haben, findet Stettner „peinlich genug“.