Kommentar

Aus Fehlern lernen: Für das nächste Entlastungspaket wäre das eine gute Idee

Zur Bekämpfung der Inflation sollte es beim nächsten Entlastungspaket um soziale Notlagen gehen und nicht wieder um ein bisschen was für jeden.

Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln beschleunigte sich im Juni auf 12,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln beschleunigte sich im Juni auf 12,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.Dpa/Christoph Soeder

Wer aktuell zum Einkaufen in den Supermarkt geht, kann an mancher Kühltheke ins Staunen kommen. Fast 3,50 Euro kostet ein Pfund Butter jetzt. Waren es im April nicht noch weniger als 2 Euro? Gut, sagt man sich vielleicht, Butter muss ja nicht sein. Margarine tut es auch. Ist sowieso gesünder, gut fürs Tierwohl und besser fürs Klima ist es auch.

Manch einer hat aber vielleicht auch vorher schon Butter als Luxusgut eingestuft und lieber darauf verzichtet. Wo soll man sparen, wenn auch vorher, vor der jetzigen Phase rasant steigender Preise, kaum Geld da war?

Das Butter-Beispiel ist vielleicht etwas plakativ gewählt. Andererseits illustriert es recht anschaulich, worum es geht: Die Inflation trifft nicht alle gleich. Das bildet zurzeit auch eine Artikel-Serie in der Berliner Zeitung ab. Die Ärmsten der Gesellschaft spüren die Folgen am stärksten. Sie konsumieren kaum Luxus-Güter, auf die sie verzichten könnten. Sie haben kein Erspartes, das sie einsetzen könnten. Und Güter für die Grundbedürfnisse wie Lebensmittel und Energie zum Heizen sind auch noch am meisten vom Preisanstieg betroffen.

Vor kurzem hatte bereits der Paritätische Gesamtverband auf steigende Armut hingewiesen und vor einer fortschreitenden Spaltung des Landes gewarnt. Vor den Fliehkräften, die das freisetzen könnte, vor sozialer Unruhe.

Soziale Notlage nach der pandemischen

Jetzt kommt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, mit einem konkreten Vorschlag. Einkommensschwache Haushalte sollen monatlich 100 Euro mehr vom Staat bekommen. Es geht um eine Art Krisenzuschlag, den Haushalte, die Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag, Sozialgeld oder Grundsicherung beziehen, erhalten sollen. Befristet und über ein Instrument, das wir schon aus der Corona-Pandemie kennen. Die soziale Notlage nach der pandemischen.

Mal abgesehen von dem negativen Beiklang nach dem Gezerre um die pandemische Notlage, klingt der Vorschlag gut. Er ist praktikabel und das Geld würde zielgerichtet diejenigen erreichen, die es am nötigsten haben. Das Gießkannen-Prinzip der letzten Entlastungspakete der Regierung bliebe vermieden. Allerdings löst der Krisenzuschlag keine Probleme für all diejenigen, die jetzt noch keine Transferleistungen vom Staat beziehen, aber nur gerade so über die Runden kommen.

Jeden Tag melden sich jetzt Sozialverbände mit Forderungen für das nächste Entlastungspaket zu Wort und das ist durchaus richtig so. Denn die Verhandlungen dazu laufen ja bereits. Diesmal sollte die Politik allerdings aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Nicht nachvollziehbar war zum Beispiel, warum Rentner bei der Energiepreispauschale ausgeklammert blieben, nicht aber gut verdienende Mittelschichtsangestellte.

Vollkommen vergeigt wirkte der Tankrabatt, dessen Wirkung verpuffte, weil ein Teil bei den Mineralölkonzernen versickerte und die Preise weiter stiegen. Dieser gezielte Anreiz zum Autofahren in einer Zeit, in der schon dem Klima zuliebe das Gegenteil gefördert werden müsste, gilt zu Recht heute als Fehler. Der Ökonom Marcel Fratzscher bezeichnete den Rabatt als Ursünde.

Das richtet sich vor allem an Finanzminister Christian Lindner, der den Rabatt durchsetzte. Der wirkt allerdings zunehmend abgehoben. Mit seiner medial inszenierten Hochzeit auf Sylt hat er gerade eine Neiddebatte entfacht. Zur Unzeit. Über einen Willen zum Dazulernen sagt das vielleicht nichts aus, über mangelndes Gespür für soziale Schieflagen schon.