Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) gab am Montag ihren Rücktritt bekannt. Zuvor hatte sie eine Erklärung abgegeben, in der sie sich für einen vierwöchigen Urlaub kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 entschuldigte. Die Berliner Politikberaterin Mareile Ihde verfolgte die Pressekonferenz. Sie stellt der Ministerin ein verheerendes Zeugnis aus.
Frau Ihde, Sie arbeiten selbst in der politischen Kommunikation. Was war Ihr erster Eindruck, als sie die Erklärung von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel am Sonntag gesehen haben?
Ich war zunächst erschrocken, dass ihr Stab sie so vor den Kameras exponiert hat. In der politischen Kommunikation gibt es eine goldene Regel. Man sollte vorher wissen, wie man in sowas reingeht und wie man wieder rausgeht. Bei Frau Spiegel schien es niemand gegeben zu haben, der ihr das vermittelt hat. Man hätte sie so unvorbereitet und vor allem in ihrer Verfassung nicht dorthin schicken dürfen.

Fanden Sie die Erklärung von Frau Spiegel verständlich?
Es ist eine Sache, zu sagen, ich brauche Hilfe und ich nehme mich mal zwei Wochen aus dem Politikbetrieb raus. Da hätte jeder Verständnis. Aber sich für vier Wochen in den Urlaub zu verabschieden, obwohl gerade mehr als einhundert Menschen ihr Leben verloren haben, und die Gründe dafür nicht offen zu kommunizieren, mindestens intern, ist trotzdem fragwürdig.
In einem Tweet haben Sie am Sonntag bereits die Kommunikation der Ministerin kritisiert. Was genau ist daran aus Ihrer Sicht problematisch?
Ihre Kommunikation ist einfach nicht konsistent. Frau Spiegel hat sich für eine Überforderung während der Flutkatastrophe im Ahrtal entschuldigt. Damals war sie Ministerin in Rheinland-Pfalz und hatte gleichzeitig Verantwortung für eine Familie mit einem erkrankten Mann und vier Kindern in der Corona-Pandemie. Seitdem sind aber die Aufgaben ja nicht weniger geworden. Sie ist mittlerweile Bundesfamilienministerin. Das lässt in der Öffentlichkeit Zweifel an ihr wachsen.
Hat Frau Spiegel nicht immerhin das Bewusstsein für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Karriere geweckt?
Leider hat sie mit der gestrigen Kommunikation und den Details, die am Montag noch bekannt geworden sind, jungen Frauen, die Karriere und Familie unter einen Hut bekommen wollen, einen Bärendienst erwiesen. Die Erklärung, immer noch mehr Aufgaben auf sich genommen zu haben, in Kenntnis der Situation in ihrer Familie, signalisiert, dass sie selbst offenbar der Auffassung ist, ihren Job immer über die Familie stellen zu müssen. Auch hier hätte das Presseteam eingreifen müssen.
Kann die Bundesfamilienministerin diese Krise politisch überleben?
