Baden und Sitte

An Ostsee und Nordsee: FKK, ist doch klar – aber bloß kein Krampf

Sonne, Sommer, Urlaub: Wie viel nackte Haut dürfen wir am Strand zeigen? Eine kleine Reise durch Deutschland.

Nacktsein am Strand gehörte im Osten zur Normalität.
Nacktsein am Strand gehörte im Osten zur Normalität.imago

Warnemünde-Das Ende vieler Corona-Beschränkungen und die Hitze treiben die Menschen an die Ost- und Nordsee – schon beginnt an manchen Stränden die Diskussion: FKK ja, nein oder ein bisschen? In Rostock hat es das Thema sogar in die Bürgerschaft geschafft. In Warnemünde und Markgrafenheide auf der östlichen Seite der Warnow gibt es einige großzügige, besonders ausgewiesene FKK-Bereiche, wie Tourismuschef Matthias Fromm berichtet. Dort haben angezogene Badegäste nichts zu suchen: FKK ist FKK – so lautete die Tautologie des Nacktbadens in ihrer ganzen Unbedingtheit.

Die FKK-Ideologie: Befreiung vom bürgerlichen Schamgefühl

Diese Abgrenzung zu akzeptieren, fällt vielen Menschen vor allem mit DDR-Sozialisierung allerdings schwer, denn das Nacktsein am Strand gehörte im Osten zur Normalität. Ob es gelingt, in Rostock größere Mischbereiche zu etablieren, steht noch in den Sternen. Fromm geht aber davon aus, dass so das Konfliktpotenzial abgeschwächt und die Zahl der Beschwerden verringert werden kann. Das würde auch den Strandvogt von der Pflicht entbinden, Leute zum An- oder Ausziehen aufzufordern. Eine mitunter peinliche Übung, wenn es darum geht, mit nackten Erwachsenen die Einhaltung von Regeln zu diskutieren.

Nun ließe sich grundsätzlich anmerken, dass die Freikörperkultur eher eine anarchische Praxis ist. Der Idee nach stellt sie allerdings eine ideologisch durchaus anspruchsvolle Übung dar: „Sie kommt zum Ausdruck in der gemeinschaftlichen Nacktheit, verbunden mit Selbstachtung, sowie Respektierung der Andersdenkenden und der Umwelt … Der Naturismus stellt das physische und psychische Gleichgewicht wieder her, indem er Erholung in einer natürlichen Umgebung bringt, durch Bewegung und Respekt für die Grundprinzipien von Gesundheits- und Ernährungslehre.“

Regeln müssen sein: ein Hinweisschild auf Helgoland.
Regeln müssen sein: ein Hinweisschild auf Helgoland.dpa/Marcus Brandt

So weit die Definition der Internationale Naturisten Föderation (INF-FNI). Klar wird, dass sich der hier in Stellung gebrachte Naturismus von bloßer Nacktheit oder Nudismus unterscheidet. Bei der Freikörperkultur geht es um eine Lebenseinstellung, wonach der nackte Körper kein Grund für Schamgefühle zu sein hat. Die gemeinschaftlich praktizierte Nacktheit wird vor diesem Hintergrund als befreiend propagiert – im Sinne gegenseitiger Akzeptanz und einem Körperbild ohne Diskriminierung oder auch Sexualisierung. Das also meint das Wort „frei“ in der Freikörperkultur: ein schambefreites Anerkennungsverhältnis.

Textile Mehrheiten: „Wessies vertreiben nackte Ossies“

Das muss man nun allerdings nicht teilen. Wer nackt an den Strand geht, macht sich sehr wahrscheinlich solche Gedanken nicht. Und auch Michaela Toepper, Vizepräsidentin des Deutschen Verbands für Freikörperkultur (DFK) hat eher eine pragmatische Vision von den Nacktzonen am Strand, die sie als Schutzzonen versteht. Toepper verweist auf Gaffer, die vor allem an gemischten Stränden zu finden sind: „Es ist schon gut, wenn es getrennt ist.“ Andererseits rät sie zu Toleranz. „Vor allem im Osten springen die Menschen einfach nackt ins Wasser.“ 

Nach der Wende sei es vielfach versäumt worden, in Strandordnungen den Umgang mit dem Nacktbaden zu regeln. „So wurden viele Strände natürlich zu Textilstränden.“ Für den DFK ist das durchaus eine noch nicht ganz abgeschlossene Geschichte. Denn mit der Wiedervereinigung begannen auch ärgerliche Auseinandersetzungen unter der Überschrift „Wessies vertreiben nackte Ossies“, wie auf der Website des Verbands zu lesen ist. Damit „bestimmten textile Mehrheiten als Urlaubskunden oft, was erlaubt und was verboten war“.

Eine Frau geht an einem FKK-Abschnitt des Ostseebades Warnemünde ins Wasser.
Eine Frau geht an einem FKK-Abschnitt des Ostseebades Warnemünde ins Wasser.dpa/Bernd Wüstneck

Der Westen hält sich in Sachen Freikörperkultur eher zurück. So ist FKK an Schleswig-Holsteins Stränden eher ein Nischenphänomen, sagt Philipp Queiser von der Tourismus-Agentur des Landes. Aber entlang der Küsten sei es überall möglich, hüllenlos ins Wasser zu springen. In vielen Küstenorten gebe es eigens ausgewiesene FKK-Strände, andernorts schwimmen und sonnenbaden Nackte und Angezogene friedlich nebeneinander.

Bei den Nackbadern: „Wie auf einem anderen Planeten.“

Auf Sylt immerhin hat das Nacktbaden eine lange Tradition: 1919 gründete Knud Ahlborn das Freideutsche Jugendlager Klappholttal. 1927 erhielt es eine Ausnahmegenehmigung zum Nacktbaden und war damit Sylts erster legaler FKK-Strand. Heute gibt es in jedem Inselort entlang der Westküste mindestens einen textilfreien Strandabschnitt, wobei die einstmals festen Grenzen mehr und mehr verschwimmen.

Auch auf Deutschlands einziger Hochseeinsel und der vorgelagerten Düne gibt es FKK-Bereiche: Laut Betriebsleiter Düne Helgoland, Michael Janßen, hat die Zahl der FFK-ler in den vergangenen Jahren abgenommen. Früher war der Bereich am Nordstrand streng vom Textilbereich getrennt. „Da durfte dann auch keiner mit Badeklamotten rein. Irgendwann vermischte sich das Ganze zusehends.“

An der niedersächsischen Nordseeküste finden sich wenige FKK-Strände – wer hüllenlos in die Wellen springen möchte, findet aber auch hier Gelegenheit. Im friesischen Wangerland am Strand von Hooksiel etwa sind FKK-Badegäste seit vielen Jahren willkommen. Dort gibt es auch eine Strandkorb-Vermietung und eine Strandsauna.

Textilbefreiter Badespaß auf Sylt: am Strand zwischen den Orten Wenningstedt und Kampen.
Textilbefreiter Badespaß auf Sylt: am Strand zwischen den Orten Wenningstedt und Kampen.imago

Auch auf einigen Ostfriesischen Inseln finden sich FKK-Badebereiche, etwa im Norden von Borkum. „Der ist ziemlich beliebt, weil der Strand an dieser Stelle auch so breit ist“, sagt Dennis Möller von der Nordseeheilbad Borkum GmbH. Ähnlich ist es auf Norderney: „Da fühlt es sich an wie auf einem anderen Planeten“, erklärt Sprecher Wolfgang Lübben. Der FKK-Strand im Inselosten sei naturnaher und weitläufiger als etwa der citynahe Weststrand. Zwar sei FKK auf Norderney nicht so populär wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern – doch viele Naturliebhaber ziehe es an den „Oase“ genannten Strand.

Nacktbadeparadies: Meck-Pomm bietet Küste und Seen

„Nacktbaden hat Tradition im Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Katrin Hackbarth vom Landestourismusverband MV. „Über die Strandausweisung entscheidet jede Kommune selbst.“ Grundsätzlich sei es wünschenswert, wenn die Bedürfnisse aller Gäste, angefangen bei Familien über Hundebesitzer bis hin zu Nacktbadern, abgedeckt würden und die Nutzung durch gegenseitige Rücksichtnahme gekennzeichnet sei. „Bei der 2000 Kilometer langen Küstenlinie und den 2000 Seen sollte das auch möglich sein.“

Auf Usedom gebe es 42 Kilometer durchgehenden Sandstrand, sagt Michael Steuer von der Usedom Tourismus GmbH. „Da ist genügend Platz für FKK-Liebhaber.“ Es sei aber erwünscht, dass die FKK-ler auch an die ausgewiesenen Stände gehen. Von Beschwerden kann er nicht berichten. Mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall will Steuer auch nicht mehr über die Frage diskutieren, ob eher Ostdeutsche FKK betreiben oder nicht. „Die gibt es überall.“ (dpa/mit schl.)