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Good Bye Golden Boy: Zum Tod von René Weller

Er war der Golden Boy des deutschen Boxsports, ein Profi, der wusste, wie man sich vermarktet. Am Dienstag ist René Weller nach langer Krankheit gestorben.

René Weller Mitte der 80er auf dem Höhepunkt seiner Karriere
René Weller Mitte der 80er auf dem Höhepunkt seiner Karriereimago

Still war es geworden um René Weller in den vergangenen Jahren, die Boxlegende litt an Demenz, das hatten Weller und seine Frau Maria im Sommer 2021 öffentlich gemacht. Nun ist Weller im Alter von 69 Jahren in seinem Heimatort Pforzheim gestorben.

Als René Weller Ende der 70er-Jahre mit Muhammad Ali auf gemeinsame PR-Tour ging, fragte er den „Größten aller Zeiten“, was das Geheimnis des Boxsports sei, und Ali antwortete: „Spaß zu haben! Alles andere ist langweilig.“ Und genau daran scheint sich Weller sein Leben lang gehalten zu haben, bis zu seiner schweren Erkrankung.

Goldkettchen, Minipli und Schnäuzer-Look

„Der schöne René“, das war bundesrepublikanisches Eigentum, eine Box-Ikone, die sehr früh erkannte, dass der Sport allein selten reicht, um die Herzen gewinnen zu können, und dass die eigene Vermarktung, das Image genauso wichtig sind. „Schillernd“ ist nach „schön“ das häufigste Attribut, das einem bei Weller in den Sinn kommt; er ebnete durch seine Beliebtheit im deutschen Boxsport den Weg für Profis wie Henry Maske, Axel Schulz, Dariusz Michalczweski oder Arthur Abraham.

Frauen reichen leere Gläser in einem vollen Pool: Weller, wie er sich am liebsten sah – ein erfolgreicher Playboy.
Frauen reichen leere Gläser in einem vollen Pool: Weller, wie er sich am liebsten sah – ein erfolgreicher Playboy.imago

„Gentleman“ und „Tiger“ hießen sie, Weller blieb immer „der Schöne“, der Halbseidene, dessen Goldkettchen, Minipli und Schnäuzer-Look fest in den 80er-Jahren zementiert waren, ebenso wie seine Macho-Attitüde, die lange vor der MeToo-Bewegung als salonfähig galt und aus der der Profiboxer keinen Hehl machte, sich Zigarre schmauchend, umringt von dauergewellten Blondinen, im Pool ablichten ließ – er im goldgelben Tanga auf der Luftmatratze, die Frauen im Wasser.

Ikonisch sind diese Bilder. Und aus der Zeit gefallen. René Weller schuf sich ein Image, das ihn auch außerhalb des Rings berühmt machte. Der Grund: „Ich musste auffallen, um populär zu werden“, sagte Weller anlässlich seines 65. Geburtstags. „Wer interessierte sich in Deutschland schon für einen ganz normalen Leichtgewichtsboxer?“

Oft ließ sein Image vergessen, dass Weller nicht irgendeine Rummelgröße war, sondern einer der erfolgreichsten Boxsportler dieses Landes. Er war Welt- und Europameister und Sohn eines Boxers, der bereits mit zwölf Jahren dem örtlichen Boxklub beigetreten war und sich, so will es jedenfalls die Legende, seinen ersten Tiefschutz durch den Verkauf seiner Briefmarkensammlung finanzierte.

„Pforzheims Ali“

Bis zu seinem Wechsel ins Profilager 1980 absolvierte der Olympia-Teilnehmer von 1976 an insgesamt 355 Amateurkämpfe und gewann davon sagenhafte 338. Bereits 1983 erkämpfte er sich durch einen K.o.-Sieg in der ersten Runde gegen den Amerikaner James Ortega die Weltmeisterschaft im Superfedergewicht – allerdings beim gerade erst zwei Jahre zuvor gegründeten, wenig bedeutsamen Verband World Athletic Association. Ein Jahr später wurde Weller auch Europameister und verlor erst die fünfte Titelverteidigung gegen den späteren WBO-Champion Gert Bo Jacobsen. Das blieb die einzige Niederlage seiner Profikarriere.

Da war er längst der „Golden Boy“, wie er sich selbst nannte, der deutsche Goldjunge, und langweilig wurde es mit „Pforzheims Ali“ auch abseits des Boxrings nie. Er ließ sich mit Krone und Königsmantel ablichten, an Selbstbewusstsein hat es ihm nie gemangelt: „Ich bin der einzige Deutsche, der nackt besser aussieht als angezogen.“ René Weller blieb der dankbare Klatschlieferant für Bunte, Stern und Co. und ließ auch keine Gelegenheit aus, von sich reden zu machen.

Imagekompatibles Gefährt: Weller auf einem Motorrad.
Imagekompatibles Gefährt: Weller auf einem Motorrad.imago

Er spielte sich selbst in der Filmreihe „Macho Man“, trat an der Seite von Til Schweiger in Claude-Oliver Rudolphs „Ebbies Bluff“ auf und verewigte sein nur als mäßig zu bezeichnendes Gesangstalent auf zwei Alben mit den Titeln „Ich bin wieder hier“ und „Wach auf“ und dem Song „René Weller Rap (to be or not to be)“. Weller ließ nichts aus, um prominent zu bleiben, und vertrieb schon auf der Höhe seiner Karriere unter dem Label Rewell Hosen, Jacken, Autos und Uhren, später brachte er eine Gürtel- und Goldschmuckkollektion auf den Markt, und natürlich durfte da auch der Ausflug in die Unterwelt nicht fehlen, aus der der fünfmalige Boxer des Jahres allerdings jedes Mal als Verlierer hervorging.

Bereits 1979 wurde der gelernte Heizungsmonteur und Goldschmied wegen „Anstiftung zur Falschbeurkundung“ von einem Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 15.000 D-Mark verurteilt. Weller stand wegen Fahrzeughandels vor Gericht und geriet auch als Schmuckhändler in den Fokus der Zollfahndung; schließlich wurde er wegen Hehlerei verurteilt.

Der Tiefpunkt kam dann, als die Boxerkarriere längst vorüber war: Kurz vor der Jahrtausendwende wurde Weller wegen Kokainhandels, Hehlerei, Anstiftung zur Urkundenfälschung und unerlaubten Waffenbesitzes zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Weller vor 1998 an einem Kauf von 15 Kilogramm Kokain beteiligt war. Am 31. Januar 2003, nach viereinhalb Jahren, wurde er wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, die einjährige Untersuchungshaft war dem gefallenen Star angerechnet worden.

Geschäftstüchtig: René Weller präsentiert Ende der 80er-Jahre seine eigene Klamottenkollektion Rewell.
Geschäftstüchtig: René Weller präsentiert Ende der 80er-Jahre seine eigene Klamottenkollektion Rewell.imago

Auch in den 2000ern schaffte es Weller, präsent zu bleiben, und zog konsequenterweise ins „Big Brother“-Dorf, dem Abklingbecken aller Promikarrieren, das der Boxer aber frühzeitig wieder verließ. Es folgten weitere Trashformate, darunter „Das perfekte Promi-Dinner“, „Promi-Frauentausch“ und „Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare“.

Letzteres sollte ein besonders denkwürdiger Auftritt werden; 2016 zog René Weller mit seiner Frau in besagtes Feriendomizil, in dem sie in Spielen gegen andere berühmte Pärchen antraten und schließlich den vierten Platz der Show belegten. Beachtenswert waren dabei weniger die Leistungen auf dem Spielfeld, als der Zusammenhalt zwischen René Weller und seiner Maria, die Frau, die ihn bis zu seinem Tod begleitete. „Du hast gekämpft wie ein Löwe, aber leider deinen letzten Kampf verloren“, schrieb sie auf der gemeinsamen Instagram-Seite. „Hand in Hand und in meinen Armen bist du heute um 17:50 Uhr zuhause in Frieden von mir gegangen“, hieß es in dem Beitrag weiter. „Ich bedanke mich für das wunderschöne Leben und unsere einzigartig große Liebe“, fügte sie hinzu.

Legenden und zwei, die Spaß hatten: Muhammad Ali und René Weller auf PR-Tour für Capri-Sonne.
Legenden und zwei, die Spaß hatten: Muhammad Ali und René Weller auf PR-Tour für Capri-Sonne.imago