Hotellerie

The Hoxton in Charlottenburg: Das ist ab jetzt Berlins schönstes Hotel

Am Donnerstag wurde ein Ableger der britischen Kette eröffnet. Aber Moment: eine Kette? Eher wähnt man sich hier im intimen Boutique-Hotel. Oder einem Film von Wes Anderson.

Nonchalant bringt das eklektische Hotelinterieur eines Londoner Studios ulkige Flohmarktmöbel mit hochwertigen Sonderanfertigungen zusammen.
Nonchalant bringt das eklektische Hotelinterieur eines Londoner Studios ulkige Flohmarktmöbel mit hochwertigen Sonderanfertigungen zusammen.Dahahm Choil

Vor einigen Jahren gab es mal das „Deutsche Fliesentischmuseum“. Ein Onlineblog eigentlich, eine schier endlos erscheinende Aneinanderreihung voyeuristisch anmutender Wohnzimmeraufnahmen. Der grau-braune Bilderreigen sollte ein omnipräsentes Möbel als gemeinsamen Nenner des Proletariats sichtbar machen: den Fliesentisch eben, einen „heimlichen Hauptdarsteller des Unterschichten-Fernsehens“, so hieß es damals.

Und auch im eben erst eröffneten Charlottenburger Hoxton gibt es ihn, den Fliesentisch, gleich in der Lobby begrüßt er die Hotelgäste. Nur steht er hier eben nicht umringt von Schränkwänden des Gelsenkirchener Barocks, nicht vor durchgesessenen Sofas und ordinären Flachbildfernsehern. Stattdessen: Einladend breite Sitzmöbel mit schönen Polstern, schönen Kissen, flauschige Teppiche und üppige Pflanzen, die in der Kombination den Achtzigerjahre-Wohnzimmertisch verführerisch modern aussehen lassen.

Die eklektische Sitzgruppe im Eingangsbereich des Hoxton in Charlottenburg steht exemplarisch dafür, was das Hotelinterieur ohnehin aufs Beste leistet: Nonchalant bringt es teils ulkige Flohmarktmöbel mit hochwertigen Sonderanfertigungen zusammen, auf dass ein ganz eigenes, anregendes Gesamtbild entsteht, geschmackvoll und gemütlich. Als Kenner der Berliner Hotellerie ist man gar geneigt zu sagen: The Hoxton Charlottenburg ist nunmehr das schönste Hotel der Stadt.

Und das will etwas heißen, hatten doch mit dem Château Royal und dem Telegraphenamt, beide in Mitte, zuletzt zwei weitere bezaubernde Häuser eröffnet. Das rund 230 Zimmer zählende Hoxton aber ist anders. Zum einen, weil es zu einer britischen Hotelkette gehört, die weltweit etwa ein Dutzend Dependancen zählt, von London über New York bis Barcelona. Ein Umstand, den man dem Charlottenburger Ableger kaum anmerkt, kriecht hier eher der Charme eines intimen Boutique-Hotels bis in die letzte Sofaritze.

Links: Feine Mosaikböden, hier im fensterreichen Teehaus, dominieren das Hotel. Rechts: Das Team des Londoner AIME Studios beweist ein gutes Gefühl für Farben und Strukturen.
Links: Feine Mosaikböden, hier im fensterreichen Teehaus, dominieren das Hotel. Rechts: Das Team des Londoner AIME Studios beweist ein gutes Gefühl für Farben und Strukturen.Dahahm Choi

Zum anderen ist das neu eröffnete Berliner Hoxton, das erste in Deutschland, so detailreich eingerichtet, dass sich die Gäste in einer fantasiereichen Filmkulisse wähnen; einer von Wes Anderson zum Beispiel – eher zu Hause bei den „Royal Tenenbaums“ als im „Grand Budapest Hotel“. Die Assoziation zu cineastischen Bildwelten sei allerdings nicht das erklärte Ziel gewesen, sagt Charlie North von den Londoner AIME Studios, die für die Ausstattung sämtlicher Hotels der Kette verantwortlich zeichnen.

„Aber es gibt vielleicht eine Verbindung zum filmischen Prozess“, so North, „bei dem wir das ursprüngliche Konzept mit vielschichtigen Designschemen und der Verwendung von sorgfältig beschafften Antiquitäten und Vintage-Objekten entwickeln, die dem Hotel einen einzigartigen Charakter verleihen.“ Als Beispiel führt North, der als Vizepräsident den Designbereich der AIME Studios mitverantwortet, „The Apartment“ an: die hybriden Tagungs- und Veranstaltungsräume ganz oben im siebenstöckigen Hotel.

Links: Selbst die Fahrstühle im neuen Charlottenburger Hotel beweisen cineastische Qualitäten. Rechts: Insgesamt zählt das erste Hoxton in Deutschland rund 230 Zimmer.
Links: Selbst die Fahrstühle im neuen Charlottenburger Hotel beweisen cineastische Qualitäten. Rechts: Insgesamt zählt das erste Hoxton in Deutschland rund 230 Zimmer.Dahahm Choi

Die für Events individuell buch- und bespielbaren Räume seien durch „die Berliner Wohnung der berühmten expressionistischen Tänzerin und Choreografin Mary Wigman inspiriert“; dementsprechend habe man Möbel und Kunstwerke ausgewählt, „die sich sehr wohnlich anfühlen, mit eher eleganten Stoffen und verschnörkelten Möbelstücken.“ Ihm und seinem Team gehe es um ein hohes Maß an Authentizität im Design, das „einen filmischen Charme und ein fast kulissenhaftes Gefühl“ vermitteln könne. Und zwar eines, so möchte man anfügen, das sich durch fast alle Ebenen des Hauses zieht.

Im hoteleigenen indischen Restaurant House of Tandoor samt dem zugehörigen, fensterreichen Teehaus zum Beispiel kommen die zu feinen Grafiken gelegten Fliesenböden mit opulenten Bezugsstoffen zusammen, changierend zwischen Paisley und Ikat-Muster. Im Lobby- und Barbereich, der als Café oder bewirteter Arbeitsplatz explizit auch Berliner Gästen geöffnet sein soll, die überhaupt nicht im Hotel schlafen, treffen langgezogene Bouclé-Sofas in einem hellen Mint-Ton auf bauchige Sitzgelegenheiten im Palmenmuster; es gibt einen gefliesten Kamin und Werke von Berliner Künstlerinnen wie Stefanie Kägi und Charlotte Adam, humorvolle Details etwa auf den gestalteten Zimmerkarten kommen von der Illustratorin Kati Szilagyi.

Links: Braun-beige Badfliesen transportieren keine biedere, aber eine heimelige Atmosphäre. Rechts: Die muschelförmigen Kopfteile wurden extra angefertigt.
Links: Braun-beige Badfliesen transportieren keine biedere, aber eine heimelige Atmosphäre. Rechts: Die muschelförmigen Kopfteile wurden extra angefertigt.Dahahm Choi

Überhaupt: Die Stadt und ihre Menschen, gerade der Charlottenburger Kiez, sollen für das Hotel in der Meinekestraße stilgebend gewesen sein. „Die übergreifende Ästhetik des Hotels wurde von den verschiedenen künstlerischen, architektonischen und kulturellen Bewegungen inspiriert, die diese Ecke der Hauptstadt geprägt haben“, so North; grob verputzte Wände und Betoneffekte an der Rezeption verwiesen auf den Brutalismus, elegante Stuckelemente, Mosaikböden und Kronleuchter aus Muranoglas seien den fließenden, organischen Motiven des Jugendstils entlehnt.

Links: Ganz oben im siebenstöckigen Altbau lässt sich The Apartment individuell buchen und bespielen. Rechts: Terrazzo-Flächen sind ein wiederkehrendes Motiv.
Links: Ganz oben im siebenstöckigen Altbau lässt sich The Apartment individuell buchen und bespielen. Rechts: Terrazzo-Flächen sind ein wiederkehrendes Motiv.Dahahm Choi

Einzig die recht überschaubaren, gleichförmigen Gästezimmer – Suiten gibt es keine – können mit dem Rausch aus Farben und Formen des restlichen Hotels nicht ganz mithalten. Sie sind attraktiv, aber eher sachlich gestaltet, nur die großformatigen Kopfteile der Betten fallen aus der nüchternen Rolle. Die Sonderanfertigungen griffen das im Hotel „wiederkehrende Muschelmotiv auf“, so Charlie North, abermals „eine Anspielung auf die Jugendstilbewegung, die für die architektonische Identität Charlottenburgs so wichtig ist.“

Dass die im Kontext des restlichen Hauses ansonsten weniger dekorierten, weniger verspielten Zimmer eher auf Praktikabilität denn Pomp ausgerichtet sind, ist leicht zu verzeihen. Weil es eben doch Hotelzimmer und keine Filmkulissen sind. Und: Weil es bei der Schönheit des restlichen Hotels, das – so viel scheint jetzt schon sicher – bald zum Treffpunkt der jüngeren, aktuell so spannenden Charlottenburger Szene werden dürften, fast ein Unding wäre, zu viel Zeit auf dem Zimmer zu verbringen.

The Hoxton. Charlottenburg. Meinekestraße 18-19, 10719 Berlin. Das hoteleigene Restaurant House of Tandoor hat täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet. www. thehoxton.com