Konnichiwa“, piepst das Wesen, wenn man es anspricht. Mit seinen Knopfaugen sieht es einen an, den Körper, der an eine Art Minisitzsack erinnert, wendet es nach oben. Denn ob sich Nicobo nun gerade auf einem Tisch oder auf dem Boden befindet – mit seinen gut 30 Zentimetern Durchmesser und dem kleinen Schwänzchen an der Rückseite ist es sowieso immer kleiner als sein menschliches Gegenüber. Und viel mehr als niedlich in die Gegend zu gucken, gepaart mit ein paar simplen Äußerungen wie „Danke“ oder „ich bin müde“, macht dieses Ding sowieso nicht – mit Absicht.
Nicobo ist die jüngste Robotersensation aus Japan. Der Techkonzern Panasonic, der von feinen Rasierern über hochauflösende Kameras bis zu OLED-Fernsehern alle möglichen technologisch anspruchsvollen Produkte herstellt, bewirbt ihn als „yowai robotto“ – also einen „schwachen Roboter“ ohne besonders viele Funktionen und Fähigkeiten. Und das, glaubt man im Hause Panasonic, wollen die Menschen heutzutage unbedingt haben.
Ob die Entwicklerinnen und Marketingverantwortlichen damit richtigliegen, wird sich erst noch zeigen. Das schon vor zwei Jahren auf der Website des Konzerns aus dem westjapanischen Osaka angekündigte Produkt kommt in Japan ab Mai in den Handel. Aber schon jetzt sorgt Nicobo für reichlich Gesprächsstoff. Von einem „beruhigenden Roboter“ schwärmt die führende Tageszeitung Yomiuri Shimbun. Die Wirtschaftszeitung Nikkei schreibt von einem Roboter, „der Sie zum Lächeln“ bringen werde.

Bei diesem Roboter stehen tatsächlich nicht Fähigkeiten, sondern Schwächen im Vordergrund. Das Japanisch, das Nicobo spricht, ist eher gebrochen. Dieser Roboter hat auch keine Künstliche Intelligenz, anhand derer er seine Frauchen und Herrchen über die Zeit kennenlernen, sich auf sie einstellen und ihnen bei irgendwas helfen könnte. Stattdessen ist er dafür designt, Gefühle wie Mitleid und Fürsorglichkeit zu provozieren. Denn von Robotern mit diesen Fähigkeiten, glauben die Entwicklerinnen und Entwickler von Panasonic, gibt es bisher zu wenige.
Bisher mussten Roboter immer intelligenter, schneller und stärker sein
Tatsächlich passt Nicobo kaum ins Muster bisheriger Entwicklungen aus Japan. Im ostasiatischen Land, das über die vergangenen Jahrzehnte für diverse Wirtschafts- und Sozialbereiche neue Roboter auf den Markt gebracht hat, waren die Innovationen bisher geprägt von leistungsfähigeren Prozessoren und feineren Sensoren, die insgesamt intelligentere, schnellere oder stärkere Roboter ermöglichten.
So sorgte im Herbst vergangenen Jahres der sozial intelligente Roboter Erica für Verblüffung. Die Entwicklung der Universität Kyoto schaffte es, verschiedene Lachtypen ihres Gegenübers einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Es könnte der Beginn von Robotern sein, die Witze verstehen.

Ein Jahrzehnt zuvor wurde Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka zu einem Star der Robotik, als er seinen „Geminoid“ vorstellte, also seinen Roboterzwilling. Das äußerlich menschengleiche Wesen war der Versuch, eine dem menschlichen Gesicht möglichst ähnliche Mimik zu konstruieren. Insofern wollte Ishiguro die für androide Roboter große Herausforderung des „Tals des Unheimlichen“ bewerkstelligen – dass Roboter, die irgendwie menschenähnlich sind und irgendwie nicht, auf Menschen oft gruselig wirken.
Gerade in der Einfältigkeit des neuen Roboters steckt sein Potenzial
Kurz nachdem Ishiguro weltweit Schlagzeilen gemacht hatte, eröffnete im südwestjapanischen Nagasaki erstmals ein Hotel, in dem fast nur Roboter arbeiten: als Rezeptionisten, Concierges, Kofferverstauer, Entertainer und einiges mehr. Das Hen-na Hotel dient zugleich als Spielwiese für neue Entwicklungen in der Roboterwelt. Regelmäßig sind die dort eingesetzten Roboter daher auch ausgetauscht worden. Einer der bekanntesten dort eingesetzten Androiden ist Pepper von Softbank.
Auch die Roboter, die in diversen Wirtschaftsbranchen eingesetzt werden, von Landwirtschaft bis Gesundheitswesen, sind zusehends leistungsfähiger. Die Firma Cyberdyne brachte vor einigen Jahren ein mit zahlreichen Sensoren ausgestattetes Exoskelett auf den Markt, mit dem Menschen mit lahmen Beinen wieder laufen lernen können. In der Pandemie wurde dann ein Ernteroboter fertig, der schneller Äpfel pflücken kann als jeder Mensch, und außerdem bemerkt, wenn sein Apfelcontainer voll ist.

Nicobo kann all das nicht. Er sitzt nur da, kann ja nicht mal laufen oder krabbeln. Aber gerade im Kontext einiger sozialer Entwicklungen in Japan könnte in Nicobos Niedlichkeit der Schlüssel zum Erfolg liegen. Einerseits nimmt inmitten der alternden Bevölkerung die Zahl der Seniorinnen und Senioren zu, die senil werden oder schlicht keinen Partner mehr haben. Andererseits steigt gerade in den Metropolen auch die Zahl jüngerer Erwachsener, die alleinstehend sind. Sieht man sich die PR-Videos von Panasonic an, wird auch diese Zielgruppe ins Visier genommen.
Aber hat Nicobo wirklich gar keine besonderen Fähigkeiten? So ganz richtig wäre dieser Eindruck nicht. Wenn man sein kurzes Fell berührt, wackelt er mit seinem Schwänzchen und macht eine freundliche Geste. Neben den paar Wörtern Japanisch, die er beherrscht, murmelt Nicobo noch in der Fantasiesprache Moko vor sich hin – wobei niemand beurteilen kann, wie gut er Moko spricht.




