Drei Monate ist es her, dass der bekannte deutsche Tierfilmer Andreas Kieling in den Hochkarpaten von einem Bären angegriffen und schwer verletzt wurde. Bereits kurz nach der Attacke stellte der 63-Jährige Bilder ins Netz, die bei seinen Fans für Erschütterung sorgten. Sein ganzes Gesicht war von Blut überströmt, der Bär habe ihn skalpiert, berichtete der gebürtige Thüringer.
Jetzt, einige Zeit später, wendet sich Kieling erneut mit einem längeren Videobeitrag an seine Community. Bei Instagram hat er sich für den Clip namens „Der Bärenangriff und seine Fakten“ mit Cowboyhut, Jeans und ärmellosem Top bekleidet an einen Holztisch gesetzt, vor sich das Fell eines Grizzlybären und ein Bärenschädel aus Alaska.
Anhand des Bärenschädels und seiner Narben zeigt Kieling, wo das Tier ihn damals erwischte: „Der erste Angriff ging auf den rechten Oberarm, er ging bis auf den Knochen durch“, sagt der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmer, dessen Produktionen unter anderem im ZDF sehr erfolgreich laufen. Der Bär habe ihn mit den Fangzähnen erwischt. „Es waren unfassbare Schmerzen, ich dachte schon, er hat mir den Arm gebrochen.“
Als Nächstes habe das Tier ihm in die Rippen gebissen. Weil es auch den Lungenraum erwischte, habe er aus dem Mund geblutet. „Ich lag unter dem Bären auf dem Boden, er hat sich dann meinen Hals vornehmen wollen.“ Kieling nimmt eine Bärenpranke zur Hand, zeigt die riesigen Krallen: Damit habe das Tier ihn im Gesicht gehalten, weil er seinen Hals nicht freigegeben habe.
Andreas Kieling: „Ich habe nicht geschrien, ich hab den Schmerz ausgehalten“
„Wenn ich ganz ehrlich bin, bestand die Kunst darin, nicht ohnmächtig zu werden vor Schmerzen, weil das bedeutet, man ist nicht mehr handlungsfähig. Dann hätte er mich rumgedreht und wahrscheinlich in den Hals gebissen und das wäre es dann gewesen.“
Er habe nicht geschrien, so der Abenteurer weiter, sondern den Schmerz ausgehalten und nur vor sich hingebrummt. Er wisse aus Erfahrung von seinen Bärenbegegnungen in Alaska, „dass Bären sich relativ schnell abreagieren, wenn sie untereinander kämpfen. Wenn einer sich unterwirft, dann lässt der andere Bär relativ schnell von ihm ab.“
Im Nachhinein habe er extrem viel Glück gehabt, resümiert Kieling, der nochmals betonte, dass den Bären keine Schuld treffe. „Im Gegenteil: Es war meine Schuld, ich war zu still im Wald.“ Kieling war damals auf Vogelpirsch in den Karpaten unterwegs.
Anderen Naturfreunden, die in wilden Wäldern in den Karpaten, Nordskandinavien, Kanada, Alaska oder Sibirien unterwegs sind, gibt der 63-Jährige den Tipp, Geräusche zu machen. „Redet mit eurem Partner ganz normal, damit die Tiere euch aus großer Entfernung wahrnehmen können.“ Sie würden sich dann in der Regel immer verziehen. Selbst eine Bärin mit Jungen sei nicht auf Krawall gebürstet. „Sie werden immer versuchen, sich aus dem Staub zu machen und gehen Konfrontationen mit uns Menschen aus dem Weg.“
In seinem Fall sei die Entfernung zu dem Raubtier schon zu kurz gewesen. Einen solchen Angriff überlebe man als Mensch dann meist nicht. Der Chirurg in der Ukraine, der ihn erstbehandelte, habe von 24 Bärenangriffen erzählt, die es in der letzten Zeit gab, davon seien 18 tödlich gewesen. Meist habe es sich bei den Opfern um Schäfer gehandelt.
Andreas Kieling sagt, er werde oft gefragt, ob er nach dem Angriff traumatisiert sei. Aber genau das Gegenteil sei der Fall: Er sei dankbar für dieses Erlebnis und sehe sich als privilegiert an, „weil ich vielleicht der einzige Mensch auf der Welt bin, der einen Bärenangriff überlebt hat und noch vernünftig davon erzählen kann“. Inzwischen seien alle Wunden gut verheilt.
Ein wenig schwingt auch Stolz mit in seinen Erzählungen. Kieling ist sich sicher, der Bär würde ihn kein zweites Mal angreifen, weil er sich bereits unterworfen habe. Seine Narbe am Oberarm bezeichnet er als „richtiges Man-versus-Wild-Tattoo“.




