Terroranschläge

Nur noch 30 Häftlinge: So sieht es jetzt im US-Gefängnis Guantánamo Bay auf Kuba aus

Von den fast 800 Häftlingen in Guantánamo Bay sind heute nur noch wenige übrig. Die Kosten für einen Häftling betragen mehr als 10 Millionen Dollar. Warum wird das Gefängnis nicht geschlossen?

Das berüchtigte US-Gefangenenlager Guantánamo ist angesichts von Krieg und Krisen fast in Vergessenheit geraten.
Das berüchtigte US-Gefangenenlager Guantánamo ist angesichts von Krieg und Krisen fast in Vergessenheit geraten.Shane T. McCoy/epa

Vor mehr als 20 Jahren richtete die USA das Guantánamo-Gefängnis auf kubanischem Territorium ein. Es war eine Reaktion auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in New York City, Washington D.C. und Pennsylvania, bei denen fast 3000 Menschen getötet wurden. In einem Podcast der spanischen Zeitung El País berichtet die Washington-Korrespondentin Macarena Vidal Liy von ihrem Besuch im Gefängnis, den verbliebenen Insassen und warum eine Schließung unwahrscheinlich ist.

Auf dem Gelände von Guantánamo gibt es laut Vidal Liy ein Hotel mit Meerblick, ein Baseballfeld im US-amerikanischen Stil und ein McDonalds-Restaurant. Wie ein Gefängnis wirkt der Ort auf den ersten Blick nicht. Heute leben noch etwa 6000 Soldaten und Zivilisten auf dem Navy-Stützpunkt, von denen etwa 800 im Gefängnis arbeiten. Schnell merkt die Journalistin, dass das eigentliche Gefängnis abgeschottet und für Außenstehende nicht erreichbar ist. Von Weitem sieht sie jedoch die Käfige, in denen die ersten mutmaßlichen Terroristen monatelang unter freiem Himmel eingesperrt wurden. Heute leben Schlangen und Moskitos in dieser verlassenen Zone.

McDonalds hat eine Filiale auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba. Es ist die einzige auf der karibischen Insel.
McDonalds hat eine Filiale auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba. Es ist die einzige auf der karibischen Insel.Magdalena Miriam Tröndle/dpa

UN-Berichterstatterin betritt zum ersten Mal Guantánamo

Die USA haben ab 2001 insgesamt 779 muslimische Männer, die als terroristische „feindliche Kämpfer“ galten, in dem bekannten Gefängnis untergebracht. Heute sind von ihnen nur noch 30 übrig. Wie El País berichtet, konnte Ende Juni zum ersten Mal eine Berichterstatterin der Vereinten Nationen, die irische Rechtsprofessorin Fionnuala Ní Aoláin, das Gefängnis betreten. In Guantánamo sitzen Häftlinge, die für einige der schlimmsten Angriffe der Welt verantwortlich gemacht werden. Dennoch ist Ní Aoláin für eine sofortige Schließung des Gefängnisses.

US-Präsident Joe Biden hatte angekündigt, er wolle in seiner Amtszeit das Gefängnis schließen. Bereits Barack Obama hatte dies vor – und war gescheitert. Sein Nachfolger Donald Trump wollte hingegen das Gefängnis mit „bösen Leuten“ füllen. Die Biden-Regierung habe „erhebliche Fortschritte“ bei der Schließung von Guantánamo gemacht, sagt Ní Aoláin. So haben zehn Häftlinge den Ort verlassen. Der Plan der Regierung sei es, weiter zu reduzieren, bis das Gefängnis geschlossen werden kann. Mit Kosten von umgerechnet rund 11,8 Millionen Euro pro Gefangenem ist Guantánamo das teuerste Gefängnis der Welt. Auf einen Gefangenen kommen mittlerweile 27 Soldaten oder Gefängniswärter. Doch warum wird das kostspielige Gefängnis nach über 20 Jahren nicht geschlossen?

Häftlinge werden noch immer grausam und unmenschlich behandelt

Vidal Liy erzählt im Podcast, sie habe mit dem ehemaligen Chefermittler von Guantánamo, Mark Fallon, gesprochen, der ihr sagte: „Guantánamo ist immer noch offen, nicht wegen dem, was sie (Anmerkung der Redaktion: die Häftlinge) uns angetan haben, sondern wegen dem, was wir ihnen angetan haben.“ Soldaten, die im Zusammenhang mit Guantánamo stehen, wollen nicht fotografiert, nicht erkannt werden. Zu groß ist die Angst vor Konsequenzen, die ihre schlechte Behandlung und Folter von Häftlingen haben könnten.

Seit mehr als 21 Jahren betreibt die USA das umstrittene Gefangenenlager auf Kuba.
Seit mehr als 21 Jahren betreibt die USA das umstrittene Gefangenenlager auf Kuba.Magdalena Miriam Tröndle/dpa

UN-Berichterstatterin Fionnuala Ní Aoláin beobachtete bei ihrem Besuch, wie Häftlinge „weiterhin grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung nach internationalem Recht“ ausgesetzt sind. Auch die Journalistin Vidal Liy berichtet: „Zwei Jahrzehnte nach ihrer Ankunft in Guantánamo sind diese 30 Gefangenen nun ältere Menschen mit körperlichen und geistigen Gesundheitsproblemen, die sowohl auf ihr Alter als auch auf die Misshandlungen, die sie erlitten haben, zurückzuführen sind.“

Zwar wurden laut Ní Aoláin „erhebliche Verbesserungen“ bei der Unterbringung und Behandlung von Häftlingen vorgenommen, sie habe jedoch noch „ernsthafte Bedenken hinsichtlich der fortgesetzten Inhaftierung von 30 Männern“, die ihrer Aussage nach „mit großer Unsicherheit, Leid und Ängsten konfrontiert sind“. Die Häftlinge „hatten oder haben alle ihre eigenen Erfahrungen mit unerbittlichen psychischen und physischen Traumata, weil sie schweren Menschenrechtsverletzungen standgehalten haben“, heißt es im Bericht der UN-Berichterstatterin.

USA suchen geeigneten Ort für verbliebene Häftlinge

Auf den Bericht von Ní Aoláin reagierten die USA ablehnend. Den Insassen gehe es besser, als die UN-Berichterstatterin beschrieben habe. „Die Häftlinge leben in Gemeinschaft und bereiten gemeinsam Mahlzeiten zu“, heißt es in der US-Erklärung. Die Gefangenen erhielten medizinische und psychiatrische Betreuung, vollen Zugang zu Rechtsberatung und könnten regelmäßig mit Familienmitgliedern kommunizieren. Dennoch wollen die Vereinigten Staaten die von Ní Aoláin vorgeschlagenen Maßnahmen überprüfen. Für die verbliebenen Häftlinge sucht die Regierung noch nach geeigneten Standorten für eine Überstellung.

Guantánamo Bay ist ein Ort, der sich für militärische Zwecke ausgezeichnet eignet. Das Gefängnis liegt vor der kubanischen Küste und ist nur per Boot erreichbar. Für die Regierung unter George W. Bush waren die Abschottung des Gefängnisses, sowie die Lage außerhalb US-amerikanischen Territoriums wichtige Voraussetzungen. So war es möglich, den US-Gesetzen aus dem Weg zu gehen. Der Ort ist bekannt für Foltermethoden wie simuliertes Ertränken, extremen Schlafentzug, anale Penetration und schmerzhafte Körperhaltungen, in denen Häftlinge über Stunden verweilen mussten. In der Vergangenheit gab es Berichte über Häftlinge, die teilweise nie angeklagt wurden und unschuldig über Jahre in Guantánamo festgehalten wurden.