Landespolitik

Grüne in Pankow: Keine Entschuldigung für Gelbhaar

Am Dienstagabend treffen sich die Pankower Grünen erneut zum Fall Stefan Gelbhaar. Vor Ort sind Mitglieder teils sichtlich betroffen.

Stefan Gelbhaar
Stefan GelbhaarChristoph Soeder/dpa

Nach der turbulenten Entwicklung im Fall Stefan Gelbhaar trafen sich die Pankower Grünen am Dienstagabend zu einer Mitgliederversammlung. Bekanntlich gibt es Diskussionen um eine parteiinterne Intrige und Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar, der 2021 das Direktmandat im Wahlkreis Pankow gewonnen hat. Gelbhaar verlor wegen der Sexismus-Vorwürfe seinen sicheren Listenplatz. Da nicht alle Vorwürfe stimmen, stellt sich jetzt die Frage: Wie sieht seine Zukunft aus?

Der Berliner Grünen-Abgeordnete Andreas Otto forderte eine Entschuldigung des Kreisverbands Pankow gegenüber dem Bundestagsabgeordneten Gelbhaar. Otto, selbst Mitglied des Kreisverbands und des Berliner Landesparlaments, hat zusammen mit anderen einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Unser Umgang mit Stefan Gelbhaar“ gestellt und wollte, dass bei der für den Abend geplanten Mitgliederversammlung darüber beraten und abgestimmt wird. Otto konnte sich nicht durchsetzen.

„Mit Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass ein Teil der Anschuldigungen gegen Stefan Gelbhaar unter falscher Identität erhoben wurden, indem eine eidesstattliche Versicherung möglicherweise gefälscht wurde“, hieß es in einem am Abend auf einer Mitgliederversammlung des Grünen-Kreisverbands Berlin-Pankow gefassten Beschluss.

„Dieses Verhalten schädigt nicht nur unsere Partei und das Vertrauen in innerparteiliche Klärungsprozesse, sondern auch alle Frauen, die Opfer von sexualisierter Gewalt und Belästigung sind“, heißt es in dem Beschluss weiter. „Aber auch Stefan Gelbhaar ist insofern Opfer erfundener Vorwürfe sowie einer möglichen Straftat geworden. Dadurch ist ihm politisch wie persönlich schwerer Schaden zugefügt worden. Dies bedauern wir ausdrücklich.“ Eine Bitte um Entschuldigung bei Gelbhaar, die einige Mitglieder vor der Versammlung gefordert hatten, ist also nicht Teil des Beschlusses.

Grünen-Mitglieder zur Causa Gelbhaar betroffen

Stefan Gelbhaar selbst war bei der Versammlung anwesend. Auch Bettina Jarasch, ehemalige Landesvorsitzende der Grünen, war vor Ort. Der Berliner Zeitung sagte ein Grünen-Mitglied vor Beginn der Versammlung zur Causa Gelbhaar: „Ich finde es schade, dass man mit ihm als Mensch so umgegangen ist.“ In der letzten Mitgliederversammlung habe er für den Grünen-Politiker, den er länger kenne, gestimmt. „Es geht mir nahe, es tut mir leid für den Menschen“, so das Mitglied weiter. Die Kandidatin Julia Schneider, die nun an Gelbhaars Stelle für die Bundesgrünen kandidiert, sei aber demokratisch gewählt worden.

„Ich sehe hier keinen ‚Männer gegen Frauen‘-Kampf“, so ein weiteres Grünen-Mitglied vor Ort. Sie sehe, dass viele eine Aufklärung wollen, heute Abend werde es wahrscheinlich eine Einigung geben. „Wir sind ein guter Kreisverband.“ Wichtig sei es, einen guten Umgang zu finden.

Während der Aussprache sagte ein weiteres Mitglied, dass die Partei alles über den Menschen, also Gelbhaar, gestellt habe. Das sei „in China auch so“. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben als Partei, dass wir Menschlichkeit zeigen. Ich möchte so was in der Partei nicht haben. Die Partei steht nicht über den Menschen“, so das Mitglied weiter.

Auch ein anderes Mitglied machte seiner Enttäuschung Luft: „Ich hatte tatsächlich Zweifel, ob ich die Grünen noch einmal wählen soll.“ Andere schlagen versöhnliche Töne an: „Es ist gut, wenn Menschen versuchen, den zerrissenen Kreisverband wieder zusammenführen zu wollen“, so ein Mitglied. „Wir – die wir in diesem Raum sind – haben nichts falsch gemacht. Wir haben Julia gewählt. Es ist nicht gut, dass es Zeitungsberichte gibt, in denen aus unseren Chats zitiert wird.“ Mitglieder betonten weiter, dass die Parteistrukturen verbessert werden müssten.

Grüner Andreas Otto: Stefan Gelbhaar hat eine Entschuldigung verdient

„Unsere Partei ist einer Intrige mit schweren Vorwürfen gegen Stefan Gelbhaar zum Opfer gefallen, die, wie inzwischen bekannt geworden ist, frei erfunden waren. Wir haben in der Folge einige Fehler gemacht“, heißt es in einem Antragstext, der von Andreas Otto eingereicht wurde. „Wir bitten Stefan Gelbhaar um Entschuldigung, ihn ohne klare Aufklärung der schweren Vorwürfe als Bundestagskandidaten abgesetzt zu haben. Dadurch wurde er persönlich und politisch schwer beschädigt.“

Weiter heißt es: „Wir bitten Stefan Gelbhaar dennoch, sich weiter für Bündnis 90/Die Grünen zu engagieren und zum Beispiel bei der Berliner Wahl 2026 eine wichtige Rolle zu übernehmen.“

Zur Begründung erläuterten die Antragsteller: „Es ist unsere Verantwortung, zu einer Rehabilitierung von Stefan Gelbhaar einen Beitrag zu leisten.“ Und: „Nachdem jetzt die schweren Vorwürfe von einem Parteimitglied sich als erfunden herausgestellt haben, müssen wir reagieren und Stefan Gelbhaar für eine weitere Mitarbeit im Kreisverband und der Partei insgesamt gewinnen.“ Die Gruppe, die für eine wörtliche Entschuldigung plädierte, konnte sich nicht durchsetzen. Der jetzige Beschluss sei ein Kompromiss, so eine Grünen-Sprecherin gegenüber der Berliner Zeitung.

Gegen Gelbhaar stehen seit Mitte Dezember Belästigungsvorwürfe im Raum. Der RBB berichtete nach eigenen Angaben auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen von Frauen, dabei haben sich einige davon als falsch herausgestellt.

Fall Stefan Gelbhaar: Welche Fehler hat der RBB gemacht?

Außerdem hatte der Sender nach eigenen Angaben Einblick in anonyme Meldungen an die Ombudsstelle der Grünen. Am Freitag zog der RBB Teile seiner Berichterstattung dazu zurück und berichtete über Zweifel an der Identität einer Person, die solche Vorwürfe erhoben hatte. Gelbhaar hatte alle Anschuldigungen stets zurückgewiesen.

Für den RBB steht fest, dass eine Grünen-Bezirkspolitikerin sich als die betroffene Person ausgegeben und unter falschem Namen eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

Nach Angaben der Bundespartei sind die Vorwürfe gegen Gelbhaar aber noch nicht vollständig aufgeklärt. Dafür soll eine eigene Kommission eingesetzt werden.

Der Kreisverband Pankow hatte in der Woche vor Weihnachten eine erneute Abstimmung über die Direktkandidatur angesetzt. Bei der ersten Abstimmung hatte Gelbhaar mit 98,4 Prozent der Stimmen gewonnen, bei der zweiten landete er nur auf Platz zwei. (mit dpa)