Ostsee

Forscher warnen: Tödliches Gift droht Ostsee zu verseuchen

Thallium gilt als das giftigste Metall für Menschen und Tiere. In der Ostsee lauert ein größeres Vorkommen des Schwermetalls als bislang bekannt. Wissenschaftler schlagen Alarm.

Die Selliner Seebrücke auf Rügen in der Ostsee. Am Meeresgrund der Ostsee wurden hohe Mengen von Thallium gefunden.
Die Selliner Seebrücke auf Rügen in der Ostsee. Am Meeresgrund der Ostsee wurden hohe Mengen von Thallium gefunden.POP-EYE/imago

Wissenschaftler haben vor erheblichen Gesundheitsgefahren durch das Schwermetall Thallium in der Ostsee gewarnt. Nach Angaben der Forscher sind große Teile der Ostsee bereits mit dem giftigen Metall kontaminiert.

„Soweit mir bekannt ist, handelt es sich hierbei um das geografisch umfangreichste Gebiet mit Thallium-Kontamination, das jemals dokumentiert wurde“, sagte Wissenschaftler Sune Nielsen. Laut einer aktuellen Studie von Nielsen und weiteren Wissenschaftlern der amerikanischen Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI), die kürzlich im Fachjournal Environmental Science & Technology erschien, könnten ausgerechnet die Bemühungen des Menschen, die Ostsee zu revitalisieren, eine Gefahr darstellen.

Thallium gilt als das für Mensch und Tier giftigste aller Schwermetalle. Als solches kann es die biochemischen Prozesse im Körper stören, insbesondere die Funktion von Enzymen, die für den Energiestoffwechsel und für andere lebenswichtige Funktionen wichtig sind. Selbst in geringen Mengen kann es schwerwiegende Gesundheitsschäden verursachen, einschließlich Nervenschäden oder Organversagen, und sogar zum Tod führen. Auch als Mordwerkzeug kam Thallium in der Vergangenheit zum Einsatz.

Die positive Nachricht zum Thallium-Bestand in der Ostsee ist, dass es dort hauptsächlich als Sulfid vorliegt – also als Salz unter dem Sand am Meeresboden, wo es zunächst für Mensch und Tier ungefährlich ist. Doch im Rahmen von Revitalisierungsprogrammen für sogenannte Todeszonen der Ostsee wird immer häufiger Sauerstoff in das Binnenmeer gepumpt. Als „Todeszonen“ werden Areale bezeichnet, die durch Sauerstoffarmut und dadurch geringes Vorkommen an tierischem und pflanzlichen Leben gekennzeichnet sind.

So wird Thallium aus der Ostsee für Menschen gefährlich

Durch die Zufuhr von Sauerstoff können sich nun laut den Wissenschaftlern die Thallium-Ionen aus dem Schlamm am Meeresgrund lösen und ins Meer gelangen. Dieses Thallium sei dann nicht nur giftig bei direktem Hautkontakt, sondern könne sich auch in Fischen anlagern und somit in unsere Nahrungskette gelangen. Die Gefahr, dass das Gift auf Menschen überspringt, sei damit deutlich gestiegen, schreiben die Forscher. Sie warnen auch davor, dass Bauarbeiten wie das Setzen von Windrad- oder Brückenpfeilern das im Sediment gebundene Thallium freisetzen könnten. 

Doch woher kommt das Thallium überhaupt? Den Wissenschaftlern zufolge gehen zwischen 20 Prozent und mehr als 60 Prozent des giftigen Thalliums, das in den letzten 80 Jahren in die Ostsee gelangt ist, ebenfalls auf menschliche Aktivitäten, wie Industrie oder die Schifffahrt, zurück. „Der Mensch bringt eine Menge Thallium in die Ostsee ein, und das sollte den Menschen bewusst gemacht werden. Wenn dies so weitergeht – oder wenn wir die Chemie der Ostsee in Zukunft weiter verändern oder wenn sie sich auf natürliche Weise verändert – dann könnte sich mehr Thallium ansammeln. Das wäre wegen seiner Toxizität besorgniserregend“, sagt Chadlin Ostrander, Hauptautor der Studie laut einer Mitteilung des Instituts.

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Um den Thallium-Bestand und seine Veränderungen zu erfassen, sammelten die Forschenden für die Studie Konzentrations- und Isotopenverhältnisdaten aus dem Meerwasser und untersuchten flache Sedimentkernproben. Zudem ergänzten die Forscher ihre Ergebnisse mit Daten aus einem längeren Sedimentkern, der zuvor in der Nähe einer der tiefsten Stellen des Meeres entnommen worden war, um den Thalliumkreislauf der Vergangenheit zu rekonstruieren.

Die Wissenschaftler fanden so heraus, dass das Meerwasser der Ostsee wesentlich stärker mit Thallium-Ionen angereichert war, als zuvor angenommen. Die Anreicherung begann demnach rund um die Jahre 1940 bis 1947. In der Studie schreiben die Wissenschaftler, es wäre ein „großer Zufall“, wenn dies nicht mit dem Erstarken von industriellen menschlichen Aktivitäten zusammen hinge.