Homophobie

„Schande für den Islam“: Schwuler Lehrer an Moabiter Grundschule über Anfeindungen durch Schüler

Vor einigen Jahren outet sich Oziel Inácio-Stech gegenüber seinen Schülern als schwul. Was folgt sind massive Anfeindungen seitens der Schüler.

Ein Lehrer an einer Berliner Grundschule wird wegen seiner sexuellen Orientierung angefeindet.
Ein Lehrer an einer Berliner Grundschule wird wegen seiner sexuellen Orientierung angefeindet.Marcel Kusch/dpa

Ein Lehrer der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit ist mit massiven Vorwürfen gegen die Schüler- und Elternschaft an die Öffentlichkeit gegangen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) schilderte Oziel Inácio-Stech, wie er von seinen Schülern gemobbt wird, seitdem er sich als homosexuell geoutet hat.

Die Carl-Bolle-Grundschule hat rund 300 Schüler, 95 Prozent von ihnen haben der SZ zufolge einen Migrationshintergrund. Seit zwei Jahren sieht sich Inácio-Stech eigenen Angaben zufolge homophoben Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt.

Moabiter Grundschule: Lehrer wurde vor Outing ermutigt

Vor fünf Jahren – kurz vor Beginn der Corona-Pandemie – habe er sich gegenüber den Schülern geoutet. Eine 12-jährige Schülerin habe daraufhin angekündigt, dies in der ganzen Schule zu verbreiten. Kurz danach hätten viele gewusst, dass er mit einem Mann verheiratet ist. Kurz darauf brach die Corona-Pandemie aus, es gab kaum Präsenzunterricht.

Zuvor sei er von Lehrern ermutigt worden, sich zu outen. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rate dazu. Gegenüber der SZ sagt Inácio-Stech, dass er zuvor lange überlegt habe, ob er sich lieber „schützen“ solle, weil viele Eltern„doch sehr religiös“ seien und aus „traditionellen Kulturen“ stammten.

Als die Pandemie-Maßnahmen endeten und die Schüler wieder zurück in den Präsenzunterricht kehrten, sei es zu den ersten Beleidigungen gekommen. „Y. machte Witze über Homosexuelle und zeigte respektloses und beleidigendes Verhalten Herrn Inácio Stech gegenüber“, schreibt die Lehrerin in einem Protokoll über einen Schüler einer fünften Klasse. „Er ließ sich nicht beruhigen und spielte sich immer weiter auf. Y. wurde ausfallend.“ Andere Schüler hätten gerufen, Oziel Inácio-Stech sei „eine Familienschande“, er werde „in der Hölle landen“, er sei „eine Schande für den Islam“.

Anstatt etwas zu unternehmen, habe ihn die Schulleitung nach Berichten einer Lehrerin zu sich gerufen. Inácio-Stech zeige eine „zu große Nähe“ zu den Schülerinnen und Schülern, wird ihm vorgehalten. Die Schulleiterin sagt in diesem Gespräch, er müsse sich „schützen“ vor „eventuell entstehenden Gerüchten“ an der Schule.

Schulaufsicht Mitte will Lehrer nicht rehabilitieren

Inácio-Stech habe sich daraufhin einen Anwalt genommen und die Lehrerin angezeigt. Ein paar Tage, im September 2024, erstattet die Schulleitung Anzeige gegen Inácio-Stech – er soll die Fürsorgepflicht verletzt haben. Der Leiter des Referats der Schulaufsicht Mitte weigert sich, Inácio-Stech zu rehabilitieren, obwohl das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist. Er habe Inácio-Stech aufgefordert, sich nicht an die Presse zu wenden, da dies „den Schulfrieden“ gefährden könne.

Inácio Stech ist vom Arzt krankgeschrieben worden. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und warte eigenen Angaben zufolge auf einen Platz in der Reha. Weder Schulleitung noch die Direktorin der Schule äußerten sich gegenüber der SZ.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung schrieb Martin Klesmann, Presssprecher der Senatsverwaltung für Bildung, dass man sich „grundsätzlich nicht“ zu Personaleinzelheiten äußere. Durch die Besetzung der Stellen der Antidiskriminierungsbeauftragten sowie der Antimobbingbeauftragten für Berliner Schulen seien diese Themenbereiche verstärkt worden. Auch in den neu überarbeiteten Notfallordnern für die Berliner Schulen befände sich ein Notfallplan „Diskriminierung“, der klare Hinweise gebe, wie und woran Lehrkräfte Diskriminierung erkennen können, welche Antidiskriminierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Die Senatsverwaltung nehme Anliegen von Betroffenen – von Schülern als auch von Lehrern – ernst.