Politik

Neue Wende: Rechtswissenschaftler änderte Wikipedia-Eintrag von Brosius-Gersdorf

Ein Jurist befeuerte offenbar aktiv die Debatte um die Kandidatin für das Verfassungsgericht, indem er den Wikipedia-Eintrag änderte.

Frauke Brosius-Gersdorf war am Dienstag bei Markus Lanz zu Gast.
Frauke Brosius-Gersdorf war am Dienstag bei Markus Lanz zu Gast.teutopress GmbH/imago

Zu dem Eklat um die geplatzte Wahl der Verfassungsrichter am vergangenen Freitag gibt es neue Details. Wie T-Online berichtete, wurde der Wikipedia-Eintrag von Frauke Brosius-Gersdorf wenige Tage vor der geplanten Wahl geändert. Offenbar von einem renommierten Rechtswissenschaftler. Dieser steht der katholischen Kirche nahe – und dem Präsidenten des Verfassungsgerichts.

Der Wikipedia-Eintrag von Brosius-Gersdorf wurde explizit um ihre Einstellung zu Schwangerschaftsabbrüchen ergänzt. Bei dem Rechtswissenschaftler handelt es sich um Ekkehart Reimer von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er bestätigte den Vorgang gegenüber T-Online.

Immer wieder Änderungen am Wikipedia-Eintrag von Brosius-Gersdorf

Reimer fügte der Biografie von Brosius-Gersdorf diesen Absatz hinzu: „2023/24 engagierte sie sich als stellvertretende Koordinatorin der von der damaligen Bundesregierung eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (Arbeitsgruppe 1). In der Auseinandersetzung um die Abtreibung setzt sich Brosius-Gersdorf für das Recht des Gesetzgebers ein, die Abtreibung in den ersten 12 Schwangerschaftswochen zu erlauben. Der Gesetzgeber sei nicht an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, nach der die Abtreibung wegen des Lebensrechts des Embryos (Art. 2 Abs. 2 GG) zwar straffrei, aber – von Sonderfällen abgesehen – nicht rechtmäßig sein dürfe.“ Zunächst war in dem Absatz die Rede davon, die Abtreibung in den ersten 12 Monaten der Schwangerschaft zu erlauben.

Dies wurde von Reimer jedoch korrigiert – es sind die ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft. Die Bearbeitungen des Wikipedia-Eintrags von Brosius-Gersdorf nahmen in den vergangenen Wochen deutlich zu. Immer wieder wurden Absätze gelöscht und wiederhergestellt. Der von Reimer hinzugefügte Absatz ist so mittlerweile nicht mehr bei Wikipedia zu finden.

Reimer teilte zuletzt über die sozialen Medien mit, er nehme Brosius-Gersdorf „als Aktivistin wahr, die über eine Neuinterpretation des Grundgesetzes ein deutsches ‚Roe v. Wade‘ erreichen will“. Roe v. Wade ist eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten vom Jahr 1973 zum Abtreibungsrecht.

In den Tagen vor der Wahl spitzte sich die Debatte um Brosius-Gersdorf zu – dabei ging es vor allem um ihre Einstellung zur Abtreibung. Der Juristin wurde vorgeworfen, Abtreibungen bis zum 9. Monat zu befürworten. Dies stimmt allerdings nicht. Brosius-Gersdorf setzte sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts bis zum 3. Monat ein.