Ein wenig wie in China

Polizeigesetz: Polizei darf jetzt heimliche Staatstrojaner in Wohnungen installieren

Berlin erlaubt Polizei heimliche Wohnungsbesuche für Staatstrojaner. Kritiker sprechen von verfassungswidrigem Überwachungsstaat. Doch das ist erst der Anfang.

Geheimer Zugriff jetzt möglich.
Geheimer Zugriff jetzt möglich.Christian Ohde

Die Polizei in Berlin darf künftig Wohnungen von Verdächtigen heimlich betreten, um Staatstrojaner auf deren Geräten zu installieren. Das geht aus einer Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) hervor, wie das IT-Fachportal heise online berichtet.

Die Gesetzesänderung gibt der Polizei explizit die Befugnis, Wohnungen zu durchsuchen, um Schadsoftware physisch auf IT-Systemen wie Smartphones und Laptops zu installieren, falls eine Ferninstallation nicht möglich ist.

Geregelt werden zudem die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation.

Weitere Überwachungsmaßnahmen

Neben dem heimlichen Betreten von Wohnungen enthält die ASOG-Novelle eine Reihe weiterer Überwachungsmaßnahmen.

Dazu zählen der Einsatz von Bodycams in Privatwohnungen, die Ausweitung von Funkzellenabfragen, automatisches Kennzeichen-Scanning, biometrische Gesichts- und Stimmerkennung sowie die Nutzung echter Ermittlungsdaten zum Training Künstlicher Intelligenz.

Bedenklicher Grundrechtseingriff

Bürgerrechtler und Oppositionsparteien üben scharfe Kritik an dem Gesetz. Die Erlaubnis zu verdeckten Wohnungsdurchsuchungen wird als massiver Angriff auf die Privatsphäre und Überschreitung einer roten Linie gewertet.

Datenschützer und Juristen stufen insbesondere diese Maßnahme sowie das KI-Training mit Ermittlungsdaten als verfassungsrechtlich höchst bedenklich ein. IT-Experten warnen zudem, dass für den Staatstrojaner Sicherheitslücken offengehalten werden, was die IT-Sicherheit der Bevölkerung gefährde.

Laut heise online kündigen die Grünen und Linken, zivilgesellschaftliche Gruppen wie das Bündnis „NoASOG“ sowie Berlins Datenschutzbeauftragte Widerstand bis hin zu Verfassungsbeschwerden an.

Berlin geht bei Überwachung besonders weit

Im Vergleich der Bundesländer geht Berlin mit der Kombination aus Online-Durchsuchung und Wohnungsdurchsuchung besonders weit. Ähnliche Regelungen gibt es bisher nur in Mecklenburg-Vorpommern.

Da das Gesetz neu und umstritten ist, bleiben die praktischen Auswirkungen abzuwarten. Experten halten eine Befassung des Bundesverfassungsgerichts für wahrscheinlich.

Kritiker sehen in der Novelle einen Paradigmenwechsel und gefährlichen Dammbruch für staatliche Überwachung. Die Gesetzesänderung senke die Schwelle für Grundrechtseingriffe und ebne den Weg in einen Überwachungsstaat, so der Tenor. Befürworter argumentieren hingegen mit verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im digitalen Raum.