Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat sich bereit gezeigt, der Europäischen Union im Streit um das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten weitere Bedenkzeit einzuräumen. Er werde eine entsprechende Bitte der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an die anderen Mercosur-Staaten weitergeben, sagte Lula am Donnerstag in Brasilia. Ein Abschluss des Abkommens könnte sich damit auf das kommende Jahr verschieben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollte das Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay eigentlich am Samstag bei einem Gipfeltreffen in Brasilien unterzeichnen. Dafür benötigt sie jedoch die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten. Im Rat zeichnet sich bislang eine Sperrminorität ab.
Mercosur-Abkommen: Italien als Zünglein an der Waage
Italiens Haltung gilt dabei als entscheidend. Meloni lehnt das Abkommen nicht grundsätzlich ab, sprach sich aber gegen eine Unterzeichnung in dieser Woche aus. Sie bat Lula nach dessen Angaben um „eine Woche, zehn Tage, maximal einen Monat“ zusätzliche Zeit. Ihr Büro erklärte, Italien sei zur Unterzeichnung bereit, sobald Landwirte ausreichende Zusicherungen erhielten. Diese könnten kurzfristig geklärt werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz drängte beim EU-Gipfel in Brüssel dagegen auf einen raschen Abschluss des Abkommens. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte hingegen seine Ablehnung. „Dieses Abkommen kann nicht unterzeichnet werden“, sagte er in Brüssel.
Proteste in Brüssel: Polizei geht mit Tränengas auf Bauern los
Währenddessen kam es im Brüsseler Europaviertel zu massiven Protesten gegen das Mercosur-Abkommen. Tausende Landwirte demonstrierten teils gewaltsam gegen das Vorhaben. Bauern blockierten Straßen mit Traktoren und warfen mit Kartoffeln und Eiern. Nach Angaben der Polizei versuchten Demonstranten später, Absperrungen zu durchbrechen, setzten Pyrotechnik ein und legten Brände. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern, Tränengas kam ebenfalls zum Einsatz. Mindestens ein Mensch wurde verletzt.
Wegen der Sicherheitslage verlagerte das Europäische Parlament Mitarbeiter aus mehreren Gebäuden. Auch Landwirte aus Deutschland beteiligten sich an den Protesten. Die Demonstranten befürchten durch das Abkommen stärkere Konkurrenz durch günstigere Agrarimporte aus Südamerika sowie Einschnitte bei EU-Agrarsubventionen.
Die geplante Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die größte der Welt. Ob die notwendige Mehrheit für eine Unterzeichnung zustande kommt, blieb bis zuletzt offen.
Insbesondere französische und italienische Landwirte üben Kritik an der für Samstag geplanten Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens. Die Bauern dort befürchten, unter enormen Preisdruck durch günstige Agrarprodukte aus Südamerika zu geraten. Polen und Österreich haben bereits angekündigt, wegen Sorgen von Landwirten und Bürgern gegen eine Unterzeichnung des Abkommens zu stimmen.


