Als die grüne Familienministerin Lisa Paus vergangene Woche vorschlug, das Elterngeld für Eltern mit einem Jahres-Haushaltseinkommen von über 150.000 Euro zu kappen, ging ein Sturm der Entrüstung durch die sozialen Medien. Eine Petition der Unternehmerin Verena Pausder hiergegen erreichte binnen 24 Stunden 250.000 Unterschriften. Lisa Paus hatte den Vorschlag im Rahmen der Haushaltsverhandlungen gemacht, um so angeblich die Kindergrundsicherung zu finanzieren.
Ein verheerendes Zeichen: „Reiche“ Eltern gegen arme Kinder. Und dies in einer Zeit, in der die Polarisierung in der Gesellschaft mit steigenden Zustimmungswerten der AfD zunimmt. In einer Zeit, in der das Gefühl des Miteinander in der Gesellschaft schwindet. Wir brauchen eine klug durchdachte Familienpolitik, die sowohl zielgenau ist, als auch unterstützt. Spalten darf sie niemals.
In der aufgeheizten Debatte um das Elterngeld, die noch gekrönt wird durch Schnellschussforderungen, das Ehegattensplitting abzuschaffen, ist es dringend Zeit, die politische Debatte zu sortieren. Hierzu fünf Gedanken:
1. Kürzung des Elterngeldes ist Rückschritt für die Gleichstellung
Die Kürzung des Elterngeldes für Haushalte mit einem gemeinsamen Einkommen von über 150.000 Euro sollte zurückgenommen werden. Stattdessen sollte erst bei 200.000 Euro gekürzt werden. Wir erschweren es ansonsten der arbeitenden Mitte, eine Familie zu gründen und brechen auch das Aufstiegsversprechen für diejenigen, die dieses Einkommen gerne erreichen und Kinder bekommen möchten. Viele Paare werden sich überlegen, ob sie sich eine Elternzeit noch leisten können. Und wenn ja, wird sie eher durch die oftmals geringer verdienende Frau genommen werden. Ein Rückschritt für die Gleichstellung.
2. Einen Monat mehr Elterngeld für Mutter und Vater gemeinsam
Das Elterngeld gehört jetzt im Hinblick auf seine Zielgenauigkeit auf den Prüfstand. Für mehr Gleichberechtigung sollte der dritte Mindest-Partnermonat eingeführt werden. Ich erinnere hier an den Koalitionsvertrag, in dem wir dies vereinbart haben. Es ergäbe eine Aufteilung von 11 Monaten plus 3 Monate. Es gibt auch Überlegungen, die Mindestaufteilung noch weitergehender anzupassen, zum Beispiel eine fifty - fifty-Aufteilung vorzusehen. Ich finde, die Aufteilung sollte grundsätzlich eine freiwillige Entscheidung der Paare bleiben. Andernfalls würden Familien mit einem vergleichsweise geringeren Einkommen getroffen, wenn die Frau nicht nach beispielsweise sieben Monaten wieder arbeitet.
3. Fokus auf die ersten Monate nach der Geburt legen
Zur besseren Unterstützung von Frauen nach der Geburt sollte es während des Mutterschutzes in den ersten beiden Monaten möglich sein, dass beide Partner zugleich Elterngeld bekommen können. Später ist dies nicht notwendig. Hier sollten wir das Elterngeldsystem nachjustieren. Denn zu Beginn werden entscheidende Weichen für eine gemeinsame Carearbeit gestellt. Und als Frau kann ich nur sagen, dass es auch körperlich gut ist, nach der Geburt nicht alles alleine machen zu müssen. Und für manchen Vater ist es im Sinnen der Gleichberechtigung auch Augenöffnend, den Alltag mit Baby im weiteren Verlauf der Elternzeit zu stemmen und nicht eine gemeinsame Urlaubszeit.
4. Nicht das Ehegattensplitting abschaffen
Das Elterngeld kann aber auch nicht alle strukturellen Probleme der Gleichberechtigung lösen. Es ist ja eigentlich dafür da, Familien in der Babyphase besser zu unterstützen. Zur Finanzierung des Elterngeldes und auch für mehr Gleichberechtigung wurde jetzt ins Feld geführt, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Dies kommt zur Unzeit. Es gibt für die Gleichstellung eine viel bedeutsamere Steuerreform: Der Staat ist zunächst einmal im Sinne der Gleichberechtigung gefordert, die Lohnsteuerklassen 3 und 5 abzuschaffen, die regelmäßig das Einkommen der Frau höher besteuert und damit täglich Fehlanreize setzt. Nur wenn sich mehr Arbeit lohnt, fördern wir die finanzielle Selbstbestimmung von Frauen. Ich bin froh, dass die Ampelkoalition diese für die Gleichberechtigung wichtige Reform jetzt umsetzen wird. Zudem sollte die Überführung des Ehegattensplittings in ein Familiensplitting die aktuelle Debatte nicht überlagern oder die Lösung verzögern. Gleichwohl wäre das ein gutes Projekt für die zweite Halbzeit der Ampel.
5. Lisa Paus sollte endlich mehr Kita-Plätze schaffen – 400.000 Plätze fehlen

