Berlin

Jobcenter: Rund 40 Prozent der Mieten von Bürgergeld-Empfängern zu hoch – Ämter zahlen trotzdem

In Berlin bekommen 302.470 Bürgergeld- und Sozialhilfe-Empfänger ihre Miete vom Amt überwiesen. Bei 81.743 Bürgergeld-Empfängern liegen diese über den Richtwerten.

Die Jobcenter übernehmen rund 40 Prozent zu teure Mieten von Bürgergeld-Empfängern in Berlin.
Die Jobcenter übernehmen rund 40 Prozent zu teure Mieten von Bürgergeld-Empfängern in Berlin.Martin Schutt

Berlins Jobcenter haben 2024 die Miete und die Heizkosten von 209.385 Bürgergeld-Empfängern bezahlt. Dabei lagen 84.780 mit ihren Kosten über den Richtwerten - das sind rund 40 Prozent. Auch diese Mieten wurden von den Ämtern bezahlt – genau 81.743 Fälle, wie die B.Z. berichtet.

Die Jobcenter überprüften 38.623 Kostensenkungen. Aber nur bei 3129 Bürgergeld-Empfängern wurden diese auch tatsächlich durchgesetzt, vor allem in Mitte (1227), Neukölln (714) und Steglitz-Zehlendorf (246).

Ämter verzichten auf eine Senkung zu hoher Mietkosten

„Der Staat muss die höheren Mieten übernehmen. Die Konsequenz wäre sonst, dass die Menschen ihre Wohnung verlieren und die anschließenden Unterbringungskosten in Unterkünften noch höher wären. Die Mieten müssen runter, dann sinken auch die Ausgaben für das Bürgergeld“, sagt Niklas Schenker, Mieten-Experte der Linken.

Welche Miete maximal angemessen ist, wird vom Senat festgesetzt. Diese Miete orientiert sich am Mietspiegel. Danach gelten seit Oktober 2023 bei einem Single-Haushalt monatlich 449 Euro Bruttokalt (Nettomiete plus „kalte“ Nebenkosten wie Wasser oder Müllabfuhr) als angemessen – mit Neuvermietungs-Zuschlag und im sozialen Wohnungsbau akzeptieren Jobcenter aber auch bis zu 624 Euro. Bei einem Paar sind es 543 Euro bzw. 777 Euro, bei einem Drei-Personen-Haushalt 668 bzw. 956 Euro. Die zwei Jahre alte Tabelle wird derzeit überarbeitet.

Die Ämter verzichten ohnehin schon auf eine Senkung zu hoher Mietkosten (Umzug, Untervermietung etc.), z. B. bei Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern, über 60-Jährigen mit längerer Wohndauer oder auch bei einer schweren Krankheit, die einen Umzug unmöglich macht.

Warum zahlen Jobcenter die überteuerten Mieten?

Im ersten Jahr als Bürgergeld-Empfänger spielt die Höhe der Miete keine Rolle – es wird kein Überprüfungsverfahren eingeleitet. Von dieser sogenannten Karenzzeit profitierten im vergangenen Jahr 11.112 Berliner.

Doch warum werden bei Bürgergeld-Empfängern die überteuerten Mieten zu 96,5 Prozent als individuell angemessen anerkannt? „Auch in Innenstadtbezirken mit höheren Angebotsmieten wird häufig von Kostensenkungen abgesehen – etwa aufgrund von Bestandsschutz, Umzugsvermeidung oder fehlenden Wohnungsangeboten“, sagte Sozial-Staatssekretär Aziz Bozkurt.