Der britische Autohersteller Jaguar hat sich marketingtechnisch völlig neu ausgerichtet, um offensichtlich eine neue Zielgruppe zu erreichen. Das Logo mit der namensgebenden Raubkatze, welches seit 1945 auf den Autos prangte, ist weg. Dabei hatte es der Gründer der Marke, William Lyons, selbst entworfen, heißt es. Ein radikaler Schritt, der neben einem neu erschienenen Werbeclip in den sozialen Medien als „woke“ und „veraltet“ verspottet wird.
Die Marke, die jetzt als Teil von Jaguar Land Rover Automotive dem indischen multinationalen Unternehmen Tata Group gehört, teilte den 30-sekündigen Clip am Dienstag in den sozialen Medien mit der Überschrift „Kopieren Sie nichts“. Unternehmenssprecher sagten britischen Zeitungen, man wolle dem Gründer damit Tribut zollen. In dem Clip erscheinen Marketingslogans wie „Delete Ordinary“ (lösche Gewöhnliches) und „Live Vivid“ (lebendig leben). Ein klarer Fingerzeig, dass das Alte wegmuss.
Anders als man es von einer der berühmtesten Automarken der Welt erwarten würde, ist in dem gesamten Werbespot nicht ein Auto zu sehen. Stattdessen ähneln die Bilder einer bunten Pariser Modenschau. Eine Gruppe geschlechtlich nicht eindeutig identifizierbarer Models stolziert durch abstrakte Kulissen.
Viele Nutzer in den sozialen Medien reagierten empört. Elon Musk kommentierte auf seiner Onlineplattform den Beitrag von Jaguar mit einer verwunderten Frage: „Verkaufen Sie Autos?“. Eine Reihe von Nutzern auf X haben Jaguar nun beschuldigt, „woke“ zu sein und sich von seinem üblichen Publikum abzuwenden. Ein X-User fragte: „Was zur Hölle ist das eigentlich?“. Jaguar konterte: „Die Zukunft“.
Copy nothing. #Jaguar pic.twitter.com/BfVhc3l09B
— Jaguar (@Jaguar) November 19, 2024
Nicht mehr „woke“: Unternehmen machen Diversity-Rückzieher
Einige Nutzer verglichen den Marketingwechsel mit dem von Bud Light, der im vergangenen Jahr für erhebliche Kontroversen sorgte. Die Biermarke hatte mit dem transsexuellen Influencer Dylan Mulvaney zusammengearbeitet, was zu massiven Verkaufseinbrüchen führte. Man beendete schließlich die Zusammenarbeit und änderte das Marketingkonzept.
Immer mehr US-amerikanische Unternehmen änderten ihre Marketing-Philosophie und machen beim Thema Diversity einen Rückzieher. Der US-amerikanische Motorradhersteller Harley-Davidson gab im Sommer bekannt, dass er sich bei Diversity-Themen in Zukunft zurückhalten will. Das Unternehmen deutete zudem an, dass das Sponsoring für LGBTQ+ Pride Festivals aufgegeben wird, um sich wieder ausschließlich auf das Wachstum des Motorradsports zu konzentrieren.
Wenige Tage später folgte Jack Daniel's mit einer ähnlichen Entscheidung. Der Bourbon-Hersteller aus Kentucky beteiligt sich nicht mehr an dem jährlichen Ranking von LGBTQ-freundlichen Unternehmen und versprach, die Diversitätsregeln für Zulieferer zu kürzen sowie Schulungen zu dem Thema zu beenden. Zuvor hatten bereits andere Großunternehmen wie John Deere und Tractor Supply angekündigt, aus den Diversitätsprogrammen auszusteigen. Sie begründeten das vor allem damit, dass der Shitstorm im Internet zu groß wurde und viele konservative Kunden absprangen.
PR-Expertin: Jaguar setzt nicht mehr auf Männer – es ist „katastrophal“
Die Mitbegründerin der PR-Gruppe Rostra, Lulu Cheng Meservey, nannte die Änderungen bei Jaguar „katastrophal“. Ihrer Meinung nach sollte jede Anzeige des Unternehmens „Innovation und Technik hervorheben“ und „eine klare Linie für die Markenbildung wählen“, schrieb sie. Die Werbe-Expertin glaubt, dass ein Marketing-Manager zu viele Denkansätze darüber gelesen hat, wie Millennials auf der Grundlage von Werten einkaufen. Dabei sei vergessen worden, „dass die Leute wirklich gut gebaute Autos wollen“.
Meservey bringt die neue Ausrichtung der Marke mit purem Aktionismus in Verbindung, da die Jaguar-Verkäufe stark zurückgegangen seien – in den USA in fünf Jahren um 70 Prozent, schreibt sie weiter. Jaguar vermittele den Eindruck: „Das ist NICHT für Männer. Während Männer historisch gesehen ein wichtiges Publikum für Jaguar waren (es ist ein beliebtes Gefährt für James Bond und Bruce Wayne), zeigt die neueste Kampagne sechs Frauen und zwei Personen mit nicht unterscheidbarem Geschlecht (einer scheint ein Mann zu sein, aber das möchte ich nicht annehmen). Wenn sie das männliche Publikum aufgeben, sollten sie es durch ein lukrativeres Publikum ersetzen, und es ist unklar, wen sie hier ansprechen wollen. Veganer? So wie Jaguar das Ultra-Luxus-Segment verloren hat, ohne das Premium-Segment zu gewinnen, verlieren sie mit dieser Kampagne das Publikum der ‚klassischen Eleganz‘, ohne das ‚Just Stop Oil‘-Publikum zu gewinnen. Es ist riskant, eine verwaiste Marke zu sein“, so Meserveys vernichtendes Urteil.
Taste aside — from a purely strategic perspective, this brand marketing is disastrous for Jaguar.
— Lulu Cheng Meservey (@lulumeservey) November 19, 2024
For context, Jaguar sales have been plummeting (down 70% in the US in five years). It’s a crisis. Their #1 strategic imperative for comms and marketing should be to sell cars. So… https://t.co/5E59IleGVl
