Seit Ende Mai sind nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 613 Menschen im Zusammenhang mit der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen getötet worden. 509 dieser Todesfälle ereigneten sich demnach direkt an oder in der Nähe von Verteilstationen der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), wie UN-Menschenrechtssprecherin Ravina Shamdasani am Freitag in Genf mitteilte.
Die Stiftung hatte ihre Arbeit erst Ende Mai aufgenommen, nachdem Israel über Monate Hilfslieferungen blockiert hatte. UN-Organisationen arbeiten nicht mit der GHF zusammen und kritisieren unter anderem eine unzureichende Zahl an Verteilzentren sowie das hohe Risiko für Hilfesuchende. Nach Angaben palästinensischer Behörden ist das israelische Militär für viele der tödlichen Zwischenfälle verantwortlich.
WHO berichtet von gezielten Schüssen auf Jungen – Vorwürfe gegen Israel
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm. „Die meisten Opfer sind Jungen, die für ihre Familien Hilfe holen wollten“, sagte WHO-Vertreter Rik Peeperkorn. Sie seien mit Schüssen „in den Kopf, Hals, Bauch oder die Knie“ getroffen worden. Die Informationen stammten von Ärzten und Angehörigen der Getöteten.
Bereits vergangene Woche hatte die israelische Zeitung Haaretz unter Berufung auf Soldaten berichtet, dass die israelische Armee den Befehl erhalten habe, gezielt auf unbewaffnete Zivilisten in der Nähe von Hilfsverteilungsstellen zu schießen – selbst wenn keine unmittelbare Bedrohung bestanden habe. In dem Bericht war von einem „Schlachthaus“ die Rede. Die israelische Regierung wies die Vorwürfe als „Blutlüge“ zurück.

Tumulte und Panik bei Menschenansammlungen
Die Hilfszentren der GHF wurden Ende Mai eingerichtet, nachdem Israel zuvor monatelang Hilfslieferungen blockiert hatte. Die Stiftung entstand mit Unterstützung der israelischen Regierung sowie US-amerikanischer evangelikaler Kreise. In Gaza betreibt sie vier sogenannte „schnelle Verteilzentren“, die aus der Ferne von israelischen Truppen überwacht werden. Mitarbeitende vor Ort stammen aus den USA und den Palästinensischen Gebieten.
Rund um die Verteilzentren herrschen offenbar chaotische Zustände. Immer wieder kommt es zu panikartigen Menschenansammlungen – oft schon vor Beginn der Hilfsausgabe. Nach Informationen von Haaretz soll die israelische Armee deshalb auch nachts oder in den frühen Morgenstunden das Feuer eröffnet haben – sowohl zur Abschreckung als auch zur Absicherung. Ein beteiligter Offizier bezeichnete das Vorgehen der Truppen gegenüber unbewaffneten Zivilisten als „ethisch höchst fragwürdig“. (mit dpa)



