New York Times

Explodierende Pager: Wie Israels Mossad eine Strohfirma in Ungarn gründete – Bericht

New York Times berichtet, warum und wie Israel eine ungarische Scheinfirma gründete, die seinem Erzfeind Hisbollah Tausende von explodierenden Pagern verkaufte.

Libanon, Sidon: Libanesische Soldaten vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist.
Libanon, Sidon: Libanesische Soldaten vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist.Mohammad Zaatari/dpa

Das in Ungarn ansässige Unternehmen B.A.C. Consulting, das die Hisbollah im Libanon mit den Pagern versorgte, die diese Woche explodierten und dabei Dutzende Menschen töteten, war eine Briefkastenfirma der israelischen Mossad, hat die New York Times berichtet. Mindestens 20 Menschen wurden am Mittwoch durch eine zweite Welle von Explosionen von Kommunikationsgeräten getötet und Hunderte verletzt. Mehrere Explosionen ereigneten sich während der Beerdigungen einiger der 12 Menschen, die am Tag zuvor durch die Explosion von Pagern von Hisbollah-Mitgliedern getötet wurden. Viele der Toten waren Mitglieder der schiitischen Miliz, aber mindestens vier Kinder kamen auch ums Leben.

Ein Vertreter der libanesischen Ermittlungsbehörden sagte am Mittwoch, die am Vortag explodierten Pager seien nach ersten Untersuchungen mit kleinen Sprengstoffladungen neben der Batterie präpariert und die Sprengung auf einen bestimmten Zeitpunkt programmiert worden. Nun müsse ermittelt werden, wo die Geräte herkämen und wo sie manipuliert worden seien.

Die Spuren der Pager führen nach Ungarn

Unter Berufung auf drei Geheimdienstmitarbeiter berichtet die New York Times, dass B.A.C. Consulting, das in Ungarn ansässige Unternehmen, das im Auftrag des taiwanesischen Unternehmens Gold Apollo die Pager herstellte, Teil einer israelischen Strohfirma war. Zwei weitere Scheinfirmen wurden gegründet, um die wahre Identität der Mossad-Mitarbeiter zu verschleiern, die die Pager herstellten.

Mehrere Medien identifizierten die 49-jährige Cristiana Arcidiancono-Barsony als Eigentümerin von B.A.C. Ihre Behauptung, dass sie das Unternehmen seit 2019 leitet, obwohl B.A.C. offiziell erst 2022 gegründet wurde, wirft auch Fragen auf. Seit den Explosionen ist die Website des Unternehmens offline und zeigt einen Wartungshinweis an.

Das Haus in Budapest, in dem die ungarische Strohfirma der israelischen Mossad, ihren Sitz hat.
Das Haus in Budapest, in dem die ungarische Strohfirma der israelischen Mossad, ihren Sitz hat.Denes Erdos/dpa

Dem New-York-Times-Bericht zufolge nahm B.A.C. auch normale Kunden auf und produzierte eine Reihe gewöhnlicher Pager. Die separat für die Hisbollah hergestellten Geräte enthielten Batterien mit Sprengstoff. Die Auslieferung in den Libanon begann im Sommer 2022, doch die Produktion wurde schnell hochgefahren, nachdem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Mobiltelefone aus Sicherheitsgründen öffentlich anprangerte und von deren Nutzung dringend abriet.

Wie es zu den Pager-Explosionen kam

Unter Berufung auf drei US-Beamte berichteten am Mittwoch das israelische Nachrichtenportal Walla und die amerikanische Website Axios, dass Israel aus Sorge, die Hisbollah könnte seine Pläne aufdecken, zum Handeln entschlossen war. „Es war ein Moment, in dem man die Gelegenheit nutzen oder verpassen musste“, sagte einer von ihnen und bezog sich dabei auf die Begründung, die Israel den USA für den Zeitpunkt des Angriffs gegeben haben soll.

Die New York Times schreibt, dass israelische Geheimdienstmitarbeiter die Pager als „Knöpfe“ bezeichnen, die im richtigen Moment gedrückt werden können. Um die Explosionen auszulösen, ließen die Israelis die Pager piepen, und schickten den Empfängern eine Nachricht auf Arabisch, die so aussah, als stamme sie von der Führungsspitze der Hisbollah.

Die Hisbollah spricht von einer „israelischen Aggression“. Offiziell hat Israel die Verantwortung für die tödlichen Explosionen nicht übernommen, jedoch haben mehrere Regierungs- und Verteidigungsbeamte gegenüber verschiedenen Medien bestätigt, dass das Land dahintersteckt. Am Mittwochnachmittag lobte außerdem Israels Verteidigungsminister Joav Gallant das Militär für „die hervorragenden Ergebnisse, die es zusammen mit dem Shin Bet, dem Mossad und allen anderen relevanten Stellen erzielt hat“.