In Budapest haben am Wochenende Zehntausende Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orbán gefordert. Hintergrund sind mehrere mutmaßliche Missbrauchsskandale in staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen in den vergangenen Jahren. Für die Demonstranten hat die Regierung nur unzureichend auf entsprechende Veröffentlichungen reagiert.
Die von Oppositionsführer Péter Magyar von der Partei Tisza angeführten Proteste entzündeten sich an neuen Vorwürfen gegen ein Jugendgefängnis in Budapest. Im September war Videomaterial aufgetaucht, das zeigt, wie der Direktor der staatlichen Einrichtungen einen Jungen gegen den Kopf tritt.
Bericht aus dem Jahr 2021 taucht auf
Am Freitag machte Magyar zudem einen bislang unveröffentlichten offiziellen Bericht aus dem Jahr 2021 öffentlich, um seine Forderungen zu untermauern. Im April wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. In Umfragen liegt Magyars Tisza derzeit vor Orbáns Fidesz.
Die Regierung versucht den Protesten entgegenzuwirken. Sie kündigte an, alle derartigen Einrichtungen unter direkte Polizeiaufsicht zu stellen. Doch den Demonstranten reicht das nicht.
Regierung verurteilt die Vorwürfe
Die Regierung Orbán betont, dass sie gegen mutmaßlichen Kindesmissbrauch vorgehe. Der Ministerpräsident, der vor der Parlamentswahl im April unter Druck steht, verurteilte die Vorfälle in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Mandiner als inakzeptabel und kriminell. „Auch junge Straftäter sollten nicht so behandelt werden“, fügte er hinzu.
Zugleich hat seine Regierung die Vorwürfe gegen westliche Staaten wegen angeblicher Einmischung in innere Angelegenheiten verschärft.
Sicherheitsbehörden gehen gegen NGOs vor
Das im vergangenen Jahr gegründete Souveränitätsschutzamt untersucht derzeit mehrere NGOs und Medienorganisationen wegen des Verdachts der illegalen ausländischen Finanzierung. Gleichzeitig warnen internationale Beobachter vor dem wachsenden Einfluss Russlands und Chinas auf die ungarische Politik.
Geheimdienst: Millionenzahlungen an die Opposition
Während des Wahlkampfs 2022 sollen demnach zwischen drei und vier Milliarden Forint (etwa zehn Millionen Euro) aus dem Ausland an oppositionsnahe Organisationen geflossen sein.
Im Zentrum der Vorwürfe stand die amerikanische Organisation Action for Democracy (A4D) unter der Leitung von David Koranyi, einem ehemaligen Berater des Budapester Bürgermeisters. Informationen von Geheimdiensten lassen sich nicht unabhängig bestätigen.
Gelder an die Opposition?
Der damalige Oppositionskandidat Péter Márki-Zay und seine Bewegung MMM werden beschuldigt, illegal Wahlkampfgelder aus den USA erhalten zu haben – noch unter der Regierung von Joe Biden. Die Gelder sollen über verschiedene Kanäle an oppositionsnahe Einrichtungen wie das Datenunternehmen DatAdat und das Portal Ezalaenyeg transferiert worden sein.
Das Ende 2023 eingerichtete Souveränitätsschutzamt hat Untersuchungen gegen mehrere politische Organisationen eingeleitet. Betroffen sind unter anderem Transparency International Hungary und das investigative Portal Átlátszó. Die Behörde verfügt über weitreichende Befugnisse zur Überprüfung von Finanzströmen und kann Geldstrafen verhängen.
EU-Spitzen im Visier Budapests
Im Oktober 2024 warf Ministerpräsident Orbán EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EVP-Fraktionschef Manfred Weber vor, einen Regierungswechsel in Budapest erzwingen zu wollen.

