Migrationspolitik

Botschaft an Merz: Merkel ruft zu „Maß und Mitte“ in der Migrationspolitik auf

Bei einer Lesung in Bonn sprach Angela Merkel über ihr Verständnis von Politik und sendete indirekt eine Botschaft an Kanzler Friedrich Merz.

Angela Merkel trifft die Journalisten der Berliner Zeitung zum Interview.
Angela Merkel trifft die Journalisten der Berliner Zeitung zum Interview.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei einer Lesung in Bonn zu einem respektvollen Umgang mit der Migrationspolitik aufgerufen. Ihre Worte klangen wie eine indirekte Kritik an Kanzler Friedrich Merz (CDU) und dessen Äußerungen zur sogenannten „Stadtbild“-Debatte. Politik müsse „in der Sache redlich und im Ton maßvoll“ bleiben, mahnte Merkel am Montagabend in der Bonner Oper. „Für demokratische Parteien sind Maß und Mitte Basis und Voraussetzung ihres Erfolgs“, zitierte sie aus ihrer Autobiografie „Freiheit“.

Vor rund 1.000 Gästen las die Altkanzlerin gut anderthalb Stunden aus ihrem Buch und erzählte von prägenden Momenten ihrer politischen Laufbahn. Besonders ausführlich sprach sie über das Jahr 2015, als fast eine Million Geflüchtete nach Deutschland kamen und sie mit ihrem Satz „Wir schaffen das“ weltweite Aufmerksamkeit erlangte. Merkel verteidigte die Entscheidung von damals und äußerte sich kritisch zum Begriff „Flüchtlingsstrom“. Er verallgemeinere Menschen, sagte sie, und blende ihr individuelles Schicksal aus. Ihre Worte wurden vom Publikum mit Applaus aufgenommen, am Ende feierten sie die Zuhörer mit Standing Ovations.

„Nicht von der AfD am Nasenring führen lassen“

Merkel warnte zugleich vor einer überhitzten Rhetorik in der aktuellen Migrationsdebatte. Die Mehrheit der Menschen habe „ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus einem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen, oder ob sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen“. In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung brauche es politische Verantwortung, die sich nicht an Schlagzeilen orientiere, sondern an Lösungen.

Hintergrund ihrer Bemerkungen ist die anhaltende Diskussion um eine Äußerung von Kanzler Friedrich Merz. Er hatte Mitte Oktober erklärt, die Bundesregierung mache zwar Fortschritte in der Migrationspolitik, „aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“. Nach massiver Kritik präzisierte Merz später, er habe Menschen gemeint, die ohne Aufenthaltsstatus lebten, keiner Arbeit nachgingen und sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten.