Die Geschenke bringt der Weihnachtsmann. Es gibt Sprüche, die alle Eltern sagen und die alle Kinder glauben. Und wenn ein Kind mal ziemlich schräg singt, sagen die Eltern: „Das hast du ganz toll gemacht.“ Und wenn es traurig ist, heißt es: „Alles wird gut.“
Eltern lügen, um Kinder nicht immer und überall mit der bitteren Realität zu konfrontieren. Manche Psychologen behaupten aber, dass die Weihnachtsmann-Lüge gefährlich sei. Denn irgendwann glauben die Kinder die Sache nicht mehr und sind bitter enttäuscht, dass ausgerechnet die eigenen Eltern sie belogen haben. Manche behaupten auch, das Grundvertrauen der Kinder in ihre Eltern bekomme einen Knacks, sie fühlten sich verraten oder seien gar traumatisiert.
Unser Sohn hat inzwischen herausgefunden, wer früher bei uns im Weißbart-Kostüm steckte. Nun hat er die Rolle selbst übernommen. Vielleicht ist das seine Form des Umgangs mit unserem Vertrauensbruch.
Viel problematischer ist, dass die Geschenke eben nicht vom Weihnachtsmann gebracht werden, sondern dass wir alles selbst besorgen müssen. Weil ich dieses Jahr so eine Vorahnung hatte, zog ich ganz zeitig los. Und tatsächlich. Unsere Buchhändlerin erzählte, dass von den vier Wunschbüchern nur drei lieferbar sind. „Das kann Tage oder Wochen dauern“, sagte sie. Denn die Verlage drucken nicht mehr so viel von allem auf Vorrat, weil in Kriegszeiten auch das Papier so teuer geworden ist.
Reichtum und Überlebenskampf
Ich sagte: „Aber im Internet gibt es das Buch doch.“ Auch dafür hat die Fachfrau eine Erklärung: In der Pandemie wurde Amazon überrannt und konnte viele Dinge verkaufen, die viel Geld bringen, sodass die billigeren Bücher nur ausgeliefert wurden, wenn weniger zu tun war. Das sorgte für lange Wartezeiten, und viele entdeckten den Buchladen an der Ecke wieder, wo das Buch am nächsten Tag abholbereit ist.
Doch nun schlägt Amazon wohl zurück und hat rechtzeitig riesige Vorratsberge angelegt, sodass manche Buchhändler an der Ecke nicht mehr jedes Buch bekommen.
Ich habe das Wunschbuch trotzdem nicht im Internet gekauft, sondern mir im Laden eine Alternative empfehlen lassen, denn der Amazon-Chef ist schon reich genug, doch der Laden kämpft ums Überleben.
Das Geschenkekaufen ist also eine ernsthafte Angelegenheit. Und Kopfschütteln gibt es überall hinter den Kassen. Mal fehlt die passende Kleidungsgröße, mal sind bestimmte Kalender nicht mehr lieferbar oder das Wunschbuch eben erst Ende Februar.


