Berlin-SPD und Linke haben der Berliner CDU einen „Rechtsruck“ vorgeworfen. Weder CDU-Fraktionschef Burkard Dregger noch der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner hätten sich von den Vorgängen bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, die nur mit Hilfe der AfD zustande kam, distanziert, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Sie haben sich damit völlig disqualifiziert.“ Wer versuche, im Kontrast zur CDU-Bundesspitze einen „Pakt mit Faschisten“ und einen beispiellosen Dammbruch schönzureden und die Verantwortung bei anderen zu suchen, habe jedes Vertrauen verspielt.

„Ich fordere von der Berliner CDU eine klare Distanzierung von den Vorgängen in Thüringen und eine klare Abgrenzung der Berliner CDU von der AfD“, unterstrich Saleh. „Die CDU muss klarstellen, dass sie sich als bürgerliche Kraft in Berlin nicht auf Liebeleien mit der AfD einlässt.“ Zuletzt sei bei ihm der Eindruck entstanden, dass die CDU im Abgeordnetenhaus massiv zusammenarbeite und mit ihr auch Absprachen treffe, so Saleh weiter. „Ich kann nur an die CDU appellieren, wieder zur Vernunft zu kommen und auf den demokratischen Weg zurückzufinden.“
„Herr Saleh lässt jeglichen Anstand vermissen“
Ähnlich äußerte sich auch die Vize-Fraktionschefin der Linken, Regina Kittler. „CDU und FDP in Berlin weigern sich offensichtlich, die Tragweite des Dammbruches in Thüringen für die Demokratie in Deutschland zu erkennen“, erklärte sie. „Und bei der Berliner CDU manifestiert sich der Rechtsruck, der schon seit Monaten im Abgeordnetenhaus zu beobachten ist. Anstatt für Demokratie und Rechtsstaat einzustehen, biedert man sich der AfD an, wo es nur geht.“ Kittler weiter: „Wir fordern die Berliner CDU und FDP auf, zum Konsens der demokratischen Parteien zurückzukehren.“
Wegner verwahrte sich gegen die „aggressiven Angriffe“ und „infamen Unterstellungen“ und nahm seinerseits Saleh in Visier. „Herr Saleh lässt jeglichen Anstand vermissen. Mit seiner Hetze betreibt er das Geschäft der AfD“, sagte Wegner der dpa. Damit beschädige die SPD die demokratische Streitkultur. „Die CDU hat sich immer glasklar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen und wird das auch in Zukunft tun“, so Wegner. „Mein Anspruch ist es, die AfD wieder aus den Parlamenten herauszudrängen.“ Dregger wies den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus vehement zurück.
Thomas Kemmerich zurückgetreten
Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war am Mittwoch im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen der Liberalen, der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsidenten ins Amt half. Nach einem Sturm der Entrüstung in Deutschland will Kemmerich sein Amt jedoch aufgeben und den Weg für eine Neuwahl freimachen, wie er am Donnerstag ankündigte.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich vom Vorgehen ihrer Parteifreunde in Thüringen distanziert, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den Vorgang am Donnerstag „unverzeihlich“. Dregger und Wegner hingegen stellten das von der CDU in Thüringen gewählte Verfahren auch am Donnerstag nicht in Frage.
Dregger rudert zurück
Dregger sprach von einem großen Dilemma in Thüringen. Beschlusslage der CDU sei, dass es keine Zusammenarbeit mit Linken und AfD gebe. Daher sei es richtig gewesen, die Kandidaten der AfD und der Linken zu verhindern. „Trotzdem gilt: Die AfD darf überhaupt keinen Einfluss auf Regierungshandeln haben, ohne Wenn und Aber. Wenn es keine Mehrheit gegen die AfD gibt, sind Neuwahlen unumgänglich. Da haben die Bundeskanzlerin und Annegret Kramp-Karrenbauer Recht.“ Am Vortag hatte Dregger der dpa zur MP-Wahl gesagt: „Das ist eine demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist.“ Einen Grund für Neuwahlen sehe er nicht.
Auch Wegner justierte am Donnerstag nach. Er betonte: „Für mich war, ist und bleibt klar: Es darf keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit oder Abhängigkeit von der AfD geben.“ Es führe auch kein Weg an Neuwahlen vorbei, wenn sich SPD und Grüne ihrer „staatspolitischen Verantwortung“ verweigerten. Gemeint ist die Absage beider Parteien in Thüringen an die von FDP und CDU angedachte „Regierung der Mitte“ aus CDU, SPD, FDP und Grünen. Auch Wegner hatte am Mittwoch dafür plädiert und noch nicht von Neuwahlen gesprochen.

