Berlin

Problemschulen in Berlin: Das Land Berlin als Erziehungshelfer

Berlin - Es wirkt wie ein schön verpacktes Weihnachtspaket: Die Berliner Schulen in Problemkiezen sollen einen zweistelligen Millionenbetrag erhalten. Das hat SPD-Fraktionschef Raed Saleh selbstbewusst angekündigt. Die SPD-Fraktion gibt den Senatoren damit schon mal vor, wofür sie sich bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen im Frühjahr einsetzen sollen.

Saleh selbst sprach davon, dass 100 bis 150 der knapp 800 öffentlichen Berliner Schulen ganz besondere Probleme hätten und jede dieser Schulen 100.000 Euro zusätzlich erhalten solle. Zur freien Verfügung, wie er nachschob. Eine Schule könne Sozialarbeiter oder Sprachmittler einstellen oder Personal, um auf Schulschwänzer einzuwirken. Bemerkenswert, dass selbst Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Vorschlag wohlwollend aufnahm. Wenn gezielte Investitionen dazu beitragen, die Lebenschancen von Kindern zu erhöhen, sei das gut angelegtes Geld, sagte Nußbaum.

100.000 Euro zusätzlich

Das ist erst einmal eine gute Nachricht, denn die Schulen der Stadt driften auseinander. An etlichen Grundschulen können zu viele Kinder kaum einen Stift richtig halten, sich schlecht konzentrieren, können selbst Viertklässler kaum lesen und rechnen. Viele dieser Kinder sammeln sich dann an Oberschulen, die sonst gemieden werden. Dort wird mehr geschwänzt als anderswo. Immer noch verlässt jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne Abschluss. In Marzahn-Hellersdorf, in Mitte, Neukölln und Kreuzberg sind es noch mehr.

Viele werden kriminell oder mit staatlichem Geld alimentiert. Das kann sich Berlin schlicht nicht leisten. Und das stellt Lehrer auf eine harte Probe. Heute sind sie nicht mehr in erster Linie Fachlehrer mit entsprechendem Bildungsauftrag. Sie sollen vielmehr auch noch Sozialarbeiter, Psychologe, Eltern- und Erziehungsberater sein. Nur können sie all das kaum bewältigen. Auch deshalb ist die Rate der dauerkranken Lehrer so hoch.

Viele Pädagogen hoffen auf Unterstützung. Doch welche Schule ist überhaupt besonders förderungswürdig? Saleh verweist darauf, dass es in Berlin 65 Schulen gibt, an denen sowohl der Anteil der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache als auch der Anteil der Kinder aus Familien, die von der Zuzahlung zur Lernmitteln befreit sind, bei über 80 Prozent liegen. Und an 135 Schulen liegen diese beiden Indikatoren über 60 Prozent. Das heißt: Dort wird zu Hause eine andere Sprache als Deutsch gesprochen. Und Eltern beziehen in großer Mehrheit staatliche Hilfen und sind deshalb von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit. Liegt auch nur einer dieser Indikatoren bei über 40 Prozent, gibt es schon jetzt zusätzliche Lehrerstunden. Nun will man besonders herausgeforderte Schulen noch deutlicher fördern.

Doch greift es zu kurz, allein Migranten- und Armenanteil als Qualitätskriterium heranzuziehen. Bei den Vergleichsarbeiten in der 3. und 8. Klasse zeigen sich auch zwischen Schulen mit ähnlicher Schülerschaft große Leistungsunterschiede. Eine wegweisender Schulleiter, der für ein gutes Arbeitsklima im Kollegium sorgt, ist da sicher Gold wert. Engagierte Lehrer sind fundamental wichtig. Die Schulinspektionsberichte geben auch Auskunft über die Qualität einer Schule. Wenn das Schulleiterhandeln oder das Schulklima mit der schlechtesten Note – einem D – bewertet wird, läuft etwas grundsätzlich falsch.

Vier Prozent aller Schulen fallen jährlich durch

Etwa vier Prozent aller Schulen fallen jährlich bei den Inspektionsberichten durch, bekommen Berater an die Seite gestellt. Diese Problemschulen liegen über ganz Berlin verteilt. Doch wäre es unsinnig, jenen Schulen mehr Geld zu geben, die besonders negativ auffallen. Gleichwohl müssen engagierte Lehrer an schwierigen Schulen gehalten werden.

Viele Schulleiter und Eltern fragen sich ohnehin, wieso immer die Problemschulen bevorzugt gefördert werden. Ganz normale Schulen haben schließlich auch marode Turnhallen, und Lehrermangel erst recht. Im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit erscheint es aber zwingend, den Schwerpunkt auf die Brennpunkt-Schulen zu legen.