Berlin - Es war ein Schreck in den Morgenstunden, twitterte die Verkehrsinformationszentrale Berlin. Damit hatte sie die Situation gut getroffen. Am frühen Montagmorgen schlugen Sensoren, die zur Überwachung der Elsenbrücke zwischen Treptow und Friedrichshain dienen, plötzlich Alarm. Das hatte zur Folge, dass der Senat das Spannbetonbauwerk aus den späten 1960er Jahren gegen 4.30 Uhr für alle Verkehrsteilnehmer sperren ließ. Glück im Unglück: Neben dem maroden Überbau, der nun erst einmal ausfällt, ist in den vergangenen Monaten eine Behelfsbrücke entstanden. Allerdings soll sie nach den bisherigen Plänen erst im März 2022 für den Verkehr freigegeben werden. „Wir prüfen nun, ob das früher möglich ist“, sagte Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, am Montag.
„Hallo, hier darf niemand fahren!“ Ein Mitarbeiter des Bauunternehmens Strabag versucht, eine Radfahrerin davon abzuhalten, die gesperrte Elsenbrücke zu nutzen. Die Überführung, bisher eine der wichtigsten Spreequerungen Berlins, ist auch für Fahrräder und Fußgänger gesperrt. Doch die Frau kümmert sich nicht um den Mann vom Bau. Sie fährt schnell weiter, dann ist die mit Absperrungen und rotweißen Flatterbändern abgeriegelte Brücke wieder leer.
Stau auf den Straßen
Umso voller ist es auf den Straßen in der Umgebung. Schon am frühen Morgen meldete die Verkehrsinformationszentrale Stau – unter anderem auf dem Straßenzug Alt-Treptow/Puschkinallee, die Schlesische Straße, die Warschauer Straße und die Stralauer Allee. Auf der Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain, auf die viele Kraftfahrer auswichen, gibt es nur noch jeweils einen Fahrstreifen pro Richtung, weil auf beiden Seiten breite Radfahrstreifen markiert worden sind.
Betroffen von der jetzigen Sperrung ist der verbliebene westliche Überbau der alten Elsenbrücke, die von 1965 bis 1968 gebaut wurde. Dort wurde der gesamte Verkehr konzentriert, nachdem man die östliche Brückenhälfte abgerissen hatte - in der wiederum am 30. August 2018 ein rund 28 Meter langer Riss im Beton entdeckt worden war. Ein Teil der 516 Seile aus Hennigsdorfer Stahl, die in dem Hohlkasten für Stabilität sorgen sollten, war in jenem heißen Sommer offenbar gerissen.
In dem verbliebenen westlichen Bauwerk wurde ein sensibles Mess- und Alarmsystem montiert. „In der Nacht zum Montag um kurz nach ein Uhr hat die optische Dauermessanlage eine unerwartet große, 8,2 Millimeter große Durchbiegung in der Nähe des Friedrichshainer Ufers gemeldet“, berichtete Jan Thomsen am Montag.
Kurz zuvor habe das ebenfalls installierte permanente Schallakustikmesssystem einen mutmaßlichen Spannstahlbruch in der Nähe des Treptower Ufers angezeigt. Wie im abgerissenen östlichen Überbau befinden sich auch in der westlichen Hälfte Stahlseilbündel in Betonkästen. Möglicherweise sei eines oder mehrere dieser Stahlseile gerissen, so Thomsen.
Die Senatsverkehrsverwaltung lässt nun untersuchen, ob Risse im Beton entstanden sind. „Geprüft wird dabei auch, ob und wann die Brücke für einige Verkehre, etwa den Fuß-, Rad- oder Schiffsverkehr, wieder freigegeben werden kann“, sagte Thomsen. Zugleich werde daran gearbeitet, die Verkehrsfreigabe der Behelfsbrücke nebenan zu beschleunigen. Bisher war eine Freigabe des benachbarten Provisoriums im ersten Quartal 2022 geplant – zuletzt war konkret von März 2022 die Rede.
Neue endgültige Spreequerung soll 2028 fertig sein
Der provisorische Spreeübergang ist an der Stelle der abgerissenen östlichen Brückenhälfte entstanden. Das knapp 1400 Tonnen schwere Fachwerk-Brückenpuzzle besteht aus mehr als 3000 Einzelteilen, die von rund 20.000 Schrauben zusammengehalten werden. Zwei Überbauten, jeweils 168 Meter lang, sollen künftig vorübergehend den Verkehr aufnehmen. Wie bislang wird es in Richtung Treptow zwei Fahrstreifen für Autos geben, nach Friedrichshain einen. Für Radfahrer wird ein Zwei-Richtungs-Radweg markiert, für Fußgänger ist inzwischen an das Brückenprovisorium außen eine Gehwegkonstruktion ebenfalls aus Stahl angehängt worden.
Am Montag hieß es, dass die Behelfsbrücke so gut wie fertig sei. An den Anschlüssen ans übrige Straßennetz müsse aber noch gearbeitet werden. So klafft zwischen dem Bauwerk und der anschließenden Elsenstraße noch eine rund 20 Zentimeter hohe Stufe. Auch der Gehweg sei noch nicht angeschlossen. Ampeln müssten umgestellt und neu geschaltet werden. Es könne aber durchaus sein, dass das Ersatzbauwerk schon vor März 2022 für den Verkehr freigegeben wird - vielleicht noch in diesem Jahr. „Wir prüfen, ob die Freigabe früher möglich ist“, bekräftigte Thomsen.
Nach der Eröffnung der Ersatzbrücke ist geplant, den maroden westlichen Überbau abzureißen. Danach kann der Bau der endgültigen Elsenbrücke beginnen. 2028 soll die neue Spreequerung zwischen Treptow und Friedrichshain fertig sein.
