Naturschutz

Noch gibt es viele Hirsche – aber warum ist das Tier des Jahres trotzdem gefährdet?

Der Rothirsch ist das größte Tier in heimischen Wäldern, doch die Population steht mächtig unter Druck. Schuld daran sind die Menschen – das sind die Gründe.

Ein Rothirsch in einem Tierpark: Die Männchen erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 1,50 Meter.
Ein Rothirsch in einem Tierpark: Die Männchen erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 1,50 Meter.Boris Roessler/dpa

Selbst in deutschen Städten waren Hirsche früher allgegenwärtig: Anfang des 20. Jahrhunderts zierte röhrendes Rotwild mit prächtigen Geweihen sehr oft die Gemälde in den bürgerlichen Wohnzimmern oder auch gewebte Wandteppiche. Genau aus solchen Teppichen nähten sich in den 80er-Jahren viele langhaarige Jugendliche in der DDR ihre Umhängetaschen – sogenannte Hirschbeutel. Und auch im Wald gehörte der Hirsch zu Deutschland in Ost und West genau wie Fuchs, Hase und Igel. Doch nun ist auch der Hirsch in Gefahr – jedenfalls potenziell. Deshalb wurde der Rothirsch nun von der Deutschen Wildtier-Stiftung zum Tier des Jahres 2026 erklärt.

Eine solche Wahl erfolgt seit 2017 nicht nur, weil die jeweiligen Tiere so schön oder possierlich sind wie die unterlegenen Hirsch-Konkurrenten Hermelin und Goldschakal, sondern meist, um auf die Probleme hinzuweisen, die die jeweilige Art bedrohen. Zwar ist die Population des größten heimischen Säugetiers mit geschätzt 120.000 Exemplaren noch stabil hoch, doch es gibt ein Grundproblem: Das Verbreitungsgebiet der Hirsche ist inzwischen auf nur noch ein Drittel ihrer ursprünglichen Lebensräume geschrumpft.

Schuld sind vor allem die Menschen: Einerseits frisst ein Rothirsch täglich 20 Kilo Pflanzen, was für viel Ärger bei Landwirten sorgt und für Arbeit bei Jägern. Dazu kommt, dass die Hirsche als Art immer weniger mobil sind. Früher wanderten Jungtiere oft aus ihren Herkunftsregionen in andere Regionen ab, so kam es nicht zur Inzucht. Doch der Einfluss der Menschen in der Natur ist nun mal allgegenwärtig. Sie haben nicht nur viele Straßen gebaut, sondern beispielsweise auch die Autobahnen eingezäunt.

Überall stoßen Wildtiere wie die Hirsche an Grenzen: durch Straßen, Bahnlinien, Kanäle – und Gesetze. Tierschützer beklagen, dass Rothirsche etwa in Baden-Württemberg nur noch auf vier Prozent der Landesfläche geduldet werden, überall sonst sind Jäger gesetzlich verpflichtet, sie zu erlegen.

Der Beginn eines möglichen Aussterbens

Fachleute sprechen von einer „Verinselung“ der Lebensräume, da die einzelnen Gebiete nicht mehr im genetischen Austausch stehen. Populationsgenetiker sehen beim noch immer weitverbreiteten Rothirsch bereits den Beginn eines Aussterbeprozesses. Darauf soll mit dem Titel Tier des Jahres aufmerksam gemacht werden. Die Stiftung fordert unter anderem, dass sich zwischen den weit auseinanderliegenden Lebensräumen kleinere Populationen etablieren dürfen, die als „Trittsteine“ bei der Vernetzung der großen Gebiete dienen.