765 Tage sind seit dem Mord an der 38 Jahre alten Homa Z. und ihrer neunjährigen Tochter Tajala vergangen. Nun steht das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder von Mutter und Tochter fest. Ali H., ein Landsmann der Getöteten aus Afghanistan, muss eine lebenslange Freiheitsstrafe hinter Gittern verbringen. Zudem bejaht die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin an diesem Montagnachmittag die besondere Schwere der Schuld. Damit kann der 34-Jährige nach 15 Jahren Haft nicht auf Bewährung entlassen werden.
Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass sich Ali H. des zweifachen Mordes schuldig gemacht habe, sagt Sylvia Busch, die Vorsitzende Richterin, in ihrer Urteilsbegründung an diesem 55. Verhandlungstag. Sie nennt auch die Tatmotive: Ali H. tötete aus Habgier und um eine andere Straftat zu ermöglichen und zu verdecken.
Mit seiner Entscheidung folgt das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts, der in seinem Plädoyer von keinen vernünftigen Zweifeln an der Täterschaft des dreifachen Familienvaters gesprochen hatte. Die Verteidiger hatten verlangt, ihren Mandanten freizusprechen.
Richterin Busch nennt gleich zu Beginn der Urteilsbegründung die Besonderheiten des Falles: Es habe sich um einen Indizienprozess gehandelt. „Es waren aber deutliche Indizien“, die gegen den Angeklagten gesprochen hätten, so Sylvia Busch. Ungewöhnlich sei auch das „drastische Tatbild“. So habe der Täter das Mädchen in besonders entwürdigender Weise in der Wohnung zurückgelassen.
Am 29. Februar 2020 war Ahmad Z. nach der Arbeit auf einem Markt in Schöneberg nach Hause gekommen. Er musste einen Schlüsseldienst zum Öffnen der Wohnungstür rufen, weil ein abgebrochener Schlüssel von innen im Schloss steckte. In der Wohnung fand er die Leichen seiner Tochter und seiner Ehefrau. Die Frau niedergestreckt mit 37 Messerstichen, das Mädchen mit einem Stich in den Hals und einem zugezogenen Schal um den Hals getötet.
Sylvia Busch erklärt, wie es nach Überzeugung der Kammer zu der Tat gekommen sei. Beide Familien flüchteten aus Afghanistan, sagt sie. Sie lebten in dem Elfgeschosser in der Wörlitzer Straße in Marzahn. Ahmad Z., seine Frau Homa und die Tochter Tajala galten als gut situiert.
Ali H. verzockte sein Geld in der Spielhalle
Die Familie von Ali H. dagegen hatte mit Geldsorgen zu kämpfen. Der Angeklagte, der in einer Autowerkstatt arbeitete, der Geld in der Spielhalle verzockte, wollte sich mit einer eigenen Werkstatt selbstständig machen. Laut Busch sei er zur Bank gegangen, um einen Kredit über 20.000 Euro zu erhalten. Doch es hätten ihm noch Unterlagen gefehlt.
Ali H., der gegen seine Frau und seine Kinder gewalttätig war, habe am Tattag vermutlich Homa Z. aufgesucht, um sie nach Geld zu fragen. Er habe gewusst, dass ihr Mann nicht zu Hause war. „Es ist davon auszugehen, dass Ali H. wusste oder vermutete, dass ein größerer Geldbetrag in der Wohnung ist“, sagt Busch.
Homa Z. sei eine gebildete und stolze Frau gewesen, die nicht jedem die Tür geöffnet habe. Aber ihren Nachbarn ließ sie herein. Sehr schnell sei dann das Gespräch auf Geld gekommen. Als sich Homa Z. geweigert habe, Ali H. ein Darlehen zu geben, sei der Angeklagte wütend geworden. „Er schlägt auf Homa Z. ein, bevor er mit einem Messer zusticht, um die Frau zu töten“, so Busch.
Homa Z. wurde mit 37 Messerstichen getötet
37 Messerstiche wurden später bei Homa Z. gezählt. Es sei ein sehr dynamisches Geschehen gewesen, die Vielzahl der Stiche deute auf eine emotionale Aufladung, so die Richterin. Ali H. habe der Frau auch Stiche versetzt, um ihr die Aussage abzupressen, wo das Geld sei, so Busch. Homa Z. sei zusammengebrochen und gestorben. Ali H. habe ihr ein Tuch auf das Gesicht und eine Art Gebetskette auf das Schlüsselbein gelegt. Die Leiche verbarg er sodann unter einem Berg von Kleidern. Es sei wie eine Bestattung gewesen.
Nach dem Tod von Homa Z. habe sich der Angeklagte auf die Suche nach dem Kind begeben, das sich vermutlich versteckte. Er habe Tajala getötet, weil sie ihn gekannt habe und weil er in Ruhe nach Geld suchen wollte. Der Angeklagte habe dem Mädchen einen Stich in den Hals versetzt und Tajala mit einem Schal gewürgt. Das noch lebende Kind steckte er kopfüber in die Toilettenschüssel – möglicherweise, um so Hilferufe des Mädchens zu stoppen.
Nach der Tat habe Ali H. aus seiner Wohnung einen Feuerlöscher geholt und den Inhalt in der Wohnung der Familie Z. versprüht, um Spuren zu verwischen. Anschließend habe er einen erstaunlichen Aktionismus an den Tag gelegt, sei mit seinen Söhnen und seiner Frau unterwegs gewesen. Für die Tatzeit jedoch, so Busch, habe der Angeklagte kein Alibi, auch wenn seine Frau im Prozess bestätigt habe, dass Ali H. ein Auto repariert habe. „Das ist schlichtweg gelogen.“
An den Leichen von Mutter und Tochter wurden zudem diverse DNA-Spuren des Angeklagten gefunden. Auffällig viele, betont die Richterin. An den Socken, den Leggins von Tajala, an der Weste und den Händen der Mutter. „Es war schon ein gründlicheres Spurenbild.“ Und es gebe einen Zeugen aus der Untersuchungshaft, dem der Angeklagte die Tat gestanden habe.
Sylvia Busch erklärt auch, dass die Kammer keine Hinweise darauf habe, dass ein Dritter die Tat begangen haben könnte. Er müsse nicht nur keine Spuren hinterlassen, sondern auch noch die Spuren von Ali H. am Tatort gelegt haben. „Das glaubt die Kammer nicht“, sagt die Vorsitzende Richterin.
Verteidiger kündigen Revision gegen das Urteil an
Die besondere Schwere der Schuld begründet die Kammer damit, dass Ali H. zwei Morde begangen habe. Hinzu komme, dass der Angeklagte bei dem neunjährigen Kind bei der Tötungshandlung „über das Nötige zum Töten“ hinausgegangen sei. „Möglicherweise um Tajala zu demütigen“, sagt Busch. Möglicherweise habe Ali H. damit auch den Vater demütigen wollen.
70 Minuten lang redet Sylivia Busch. Am Ende wünscht die Vorsitzende Richterin Ahmad Z. „ganz besonders alles Gute“. Sie hoffe, dass das Urteil helfen werde, den Tod von Frau und Tochter zu verarbeiten. Ahmad Z. war in dem Prozess Nebenkläger.



