Ein Holztisch und vier Stühle stehen auf einer schattigen Wiese vor dem Bundeskanzleramt; nicht direkt davor, denn es ist ungewöhnlich warm an diesem Septembermorgen. Offenbar ging es den Klimaaktivisten nicht nur um die Optik dieses Auftritts direkt vor dem Zaun des Kanzleramts. Während TV-Reporter ihre Mikrofone aufstellen, sitzt Luisa Neubauer in Schwarz-Grün gekleidet geduldig da und wartet.
Es ist Dienstag in Berlin, die Schule hat am Tag zuvor wieder begonnen, und auch Fridays for Future sind zurück. Es ist die erste Pressekonferenz der Klimabewegung nach der Sommerpause. Es heißt, Luisa Neubauer sei in Italien gewesen, mit dem Zug. Das Motto des Treffens lautet „Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit durch das Klimageld“. Auffällig sind die beiden Sprecher Pit Terjung und Clara Duvigneu, die beide noch keine 20 Jahre alt sind und bei Fridays for Future mitmachen.

Luisa Neubauer beginnt und klingt streng, als sie sagt: „Kein Ort ist mehr sicher, die Ampel-Bilanz ist aus Klimaperspektive verheerend.“ Die 27-Jährige spricht ungefähr fünf Minuten. „Wir spielen auf Zeit, die wir nicht haben.“ Manchmal frage sie sich, ob Olaf Scholz und die Regierung den Verstand verloren hätten.
Fridays for Future fordern die Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens und des 1,5°C-Limits. Explizit fordern sie für Deutschland Klimaneutralität bis 2035. Auf dieser Pressekonferenz geht es den Aktivisten vor allem darum, die Klimakampf mit dem Kampf gegen Armut zu verbinden.
Soziallobbyist Ulrich Schneider sitzt neben Luisa Neubauer und sagt, dass „auch die beste Rentenreform und der teuerste Kinderschutz nichts nützen, wenn der Klimawandel nicht bekämpft wird“. Aus wissenschaftlicher Sicht sei die Klimapolitik immer auch eine Wirtschaftspolitik, meint Schneider und nennt die Einführung der CO₂-Preise essenziell. Pit Terjung sagt, dass der Klimaschutz nicht einfach vom Himmel falle und dass man dafür auf die Straßen gehen müsse.
Klimaschutz als Bedingung für soziale Gerechtigkeit
Da Menschen statistisch mehr CO₂ ausstoßen, je mehr Geld sie haben, bringt dessen Einpreisung eine Umverteilung von oben nach unten. Die Ampel-Parteien hatten einen solchen Mechanismus in ihren Wahlprogrammen und verständigten sich nach den Koalitionsverhandlungen auf den Begriff „Klimageld“. Jedoch verläuft die Umsetzung sehr schleppend. In diesem Jahr beliefen sich die fossilen Subventionen in Deutschland auf 60 Milliarden Euro – nur ein sehr geringer Teil davon für CO₂, erklärt Schneider. Das Klimageld soll Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verknüpfen. Der Mechanismus funktioniert so, dass der Staat den Ausstoß von klimaschädlichem CO₂ verteuert und die Einnahmen den Bürgern zurückgibt – und zwar allen gleich viel.
Während es im Sommer um Fridays for Future still war, haben die Aktivisten der Letzten Generation mit ihren Protesten viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen – nicht nur positive. Aktuelle Umfragen zeigen, dass vier von fünf Deutschen deren Aktionen kritisch sehen. Außerdem kam es im Sommer immer wieder zu tätlichen Übergriffen auf Klimaaktivisten – in Bayern wurden sie zu Haftstrafen verurteilt. Mitglieder von AfD und Union sprachen sogar von „Klimaterror“, „Klimaterroristen“ und „Klima-RAF“.
Luisa Neubauer findet diese Sprache entsetzlich. Die Begrifflichkeit sei das „Allerletzte“. „Es ist kein Zufall, dass die Hetze gegen die Letzte Generation mittlerweile salonfähig ist.“ So etwas werde innerhalb der Regierung ebenfalls vorangetrieben und sei brandgefährlich. Darüber hinaus möchte sie sich zu ihren Aktivistenkollegen jedoch nicht äußern. Generell sei sie für „jegliche Form von friedlichem Protest, aber jede Aktion sollte sich immer die Frage stellen, was am Ende rauskommt“. Fridays for Future wollten demnach jetzt vor allem politischen Druck aufbauen. „Wir gehen so lange auf die Straße, bis der Klimakanzler ein Machtwort spricht.“


