Solch ein Streik sorgt schon für Aufmerksamkeit und fegt die Berliner Straßen mächtig leer. Jedenfalls, wenn es ein Streik des Lehrpersonals ist. Dann bleiben morgens die Straßen im Umfeld der Schulen verwaist. So wie dieser Tage. Normalerweise gehen 20 Minuten vor Unterrichtsbeginn gerade mal fünf Mütter oder Väter mit ihren Kindern zur Grundschule in unserem Kiez in Friedrichshain. Doch 15 Minuten vor Beginn strömen die Kinder und Eltern dann überall aus den Häusern und füllen die Fußwege. Dann müssen die Schülerlotsen an den Kreuzungen richtig ackern.
Doch an diesem Morgen blieben die Wege sehr leer. Auch ganz kurz vor Unterrichtsbeginn war kaum jemand unterwegs. Warum auch? Es gab ja keinen Unterricht, der beginnen konnte. Nur eine Notbetreuung.
Ein Streik der Lehrerinnen hat einen großen Vorteil: Er wirkt sofort. Streikt eine Lehrerin, müssen sich die Eltern der 25 Kinder ihrer Klasse Gedanken machen, wie diese betreut werden. Wenn Tausende Lehrerinnen streiken, potenziert sich das Problem und zehntausende Eltern sind betroffen. Sehr effektiv. Das ist wie bei Bussen und Bahnen. Da wirkt ein Streik sofort und heftig. Der Nachteil: Er ist schon am übernächsten Tag fast wieder vergessen.
Etwas anders sah die Sache vor einiger Zeit beim Streik der BSR aus. Die Wirkung war am Tag des Ausstands viel geringer als bei Lehrerinnen oder Busfahrern, denn die meisten in Berlin bekamen ja gar nicht mit, dass die Müllmänner an ihrem üblichen Tag nicht vorbeigekommen waren.
Und doch sorgt ein Müllstreik viel effektiver für Aufmerksamkeit: Denn vom Streik der Lehrerinnen bekommen fast nur die Eltern etwas mit, also all jene, die sowieso meist auf der Seite der Schulen stehen und nicht auf der Seite der Politik, die das Geld für die Bildung nicht erhöht.
Der blanke Egoismus
Einen Müllstreik dagegen merken irgendwann alle. Eltern und Kinder, Interessierte und Ignoranten, Polizisten und Politiker. Alle.
Denn ein einziger Streiktag bringt die Abholzeiten so sehr durcheinander, dass sich der Müll immer höher stapelt. Bei uns waren die Tonnen für Glas und Papier nur halb voll, doch die grauen Hausmülltonnen quollen über. Solche klassischen Notsituationen kitzeln bei einigen die schlechten Eigenschaften heraus. Den blanken Egoismus. Einige warfen ihren Hausmüll in die Bio- oder die Papiertonne.
Immer wieder standen Nachbarn im Hof und meckerten. Einer sagte: „Warum trennen die ihren Müll nicht vorbildlich? Dann würde nur wenig Hausmüll anfallen und die grauen Tonnen würden nicht so schnell überquellen.“
Stimmt. Doch die Realität sah anders aus. Immer mehr Mülltüten stapelten sich neben den Tonnen. Erst nach elf Tagen kamen die Müllmänner und damit die Befreiung. Von den elf Tagen haben wir uns im Haus bestimmt acht Tage lang aufgeregt.



