Impfzentrum im Ring-Center

Berliner stehen fünf Stunden lang für Corona-Impfung an

Die Impfkampagne gewinnt in Berlin wieder an Schwung. Doch das Angebot reicht bei weitem nicht. Im Ring-Center ist die Warteschlange mindestens 500 Meter lang.

Die Schlange auf der Pettenkoferstraße, bevor sie links um die Ecke die Frankfurter Allee hinunter und zum Eingang des Impfzentrums führt
Die Schlange auf der Pettenkoferstraße, bevor sie links um die Ecke die Frankfurter Allee hinunter und zum Eingang des Impfzentrums führtBerliner Zeitung/Markus Wächter

Berlin-Die Impfkampagne soll in Berlin wieder deutlich an Fahrt aufnehmen. Das ist das erklärte Ziel: Von bislang gut 6000 Impfungen pro Tag soll die Kapazität innerhalb der nun beginnenden Woche auf 10.000 hochgefahren werden. Das bestätigte der Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Berlin, Karsten Hinzmann der Berliner Zeitung. Das Problem: Da im Sommer einzelne Impfzentren geschlossen wurden und neue erst wieder eröffnet werden müssen, ist nun die Nachfrage deutlich höher als die Möglichkeiten.  Derzeit sind alle Termine bis Januar ausgebucht und vor den Berliner Impfzentren bilden sich stundenlange Schlangen.

Die Bilder der vergangenen Woche werden die Berliner also noch eine Weile begleiten: Am Freitagmorgen wurde das Impfzentrum im Ring-Center an der Frankfurter Allee wiedereröffnet. Statt in zwei wird dort nun in sechzehn Kabinen geimpft. Dennoch bildete sich am Morgen vor dem Einkaufszentrum in Friedrichshain eine mindestens 500 Meter lange Schlange. Die Ordner am Eingang sprachen von fünf Stunden Wartezeit. Und das bei sechs Grad Außentemperatur.

Bis zu 1000 Impfungen am Tag im Ring-Center

Das kann der 19-jährige Ben Behrens bestätigen: Er wartet um elf Uhr bereits seit drei Stunden auf seine Boosterimpfung, steht zu diesem Zeitpunkt noch ungefähr 20 Meter vom Eingang entfernt. Drinnen schlängelt sich die Schlange aber noch einmal drei Stockwerke hinauf ins oberste Geschoss des Ring-Centers und dort einen Flur hinunter. Dann steht man endlich an den Impfkabinen. Von „bald geschafft“ kann für Behrens also keine Rede sein. Der erst seit kurzem in Berlin lebende Praktikant in einem Theater der Stadt hat noch keinen Hausarzt und auch keinen Termin in einem der Berliner Impfzentren gefunden. Heute hat er sich den gesamten Tag freigenommen, um die Impfung auch wirklich zu bekommen.

Immerhin: Behrens steht bereits auf der Frankfurter Allee. Um die Ecke zieht sich die Schlange die Pettenkoferstraße hinauf, dann nach rechts die Rigaer entlang, bis diese in eine Sackgasse am S-Bahnhof Frankfurter Allee führt. Am Bahnhofseingang macht die Schlange kehrt und führt den gegenüberliegenden Bürgersteig der Rigaer wieder hinunter, zurück bis zur Pettenkofer. Auf dem Bürgersteig und im Treppenhaus sitzen viele, vor allem junge Menschen auf dem Boden, lesen oder starren auf ihre Smartphones.

Allein um es von der Rigaer Straße bis fast an die Frankfurter Allee zu schaffen, musste der 74-jährige Friedrichshainer Gert Geißler drei Stunden anstehen. „Ich bin ja noch gut auf den Beinen. Aber für Menschen, die ein paar Jahre älter sind oder am Stock gehen, wäre das nicht machbar.“ Sagt er, und auch, dass er in jedem Fall bleiben wird, bis er die Impfung bekommen hat. Dass junge Menschen weit vor ihm in der Schlange stehen und er als älterer Mensch nicht priorisiert wird, findet Geißler nicht problematisch. „Die Hauptsache ist, dass es nicht anfängt, zu regnen.“

Bis zu 1000 Impfungen pro Tag können im Ring-Center durchgeführt werden. DRK-Sprecher Hintzmann: „Mit einem Ausbau der Kapazitäten in den Impfzentren und einem zusätzlichen Standort in Karlshorst werden wir Hilfsorganisationen Anfang Dezember in allen Impfeinrichtungen, völlig unabhängig von den Impfungen in den Arztpraxen, täglich bis zu 11.000 Impfungen durchführen.“

Enormer Druck auf Impfzentren

Durch die stark erhöhte Nachfrage nach Boosterimpfungen herrscht derzeit trotz sich stark erweiterter Kapazitäten ein enormer Druck auf die Impfzentren. Aber auch die Erstimpfungen haben sich im Vergleich zum Oktober dem DRK zufolge verdreifacht. An den Walk-in-Schlangen für Menschen ohne Termin wartet man fast überall mehrere Stunden. Termine gibt es im Moment weit und breit keine, Hintzmann meint jedoch,  dass es sich lohne, „in den nächsten Tagen häufiger online nachzuschauen, ob es neue Termine gibt“. Klickt man sich im Moment zur Terminbuchung der Impfzentren durch, findet man weder für die Erst- noch für die Boosterimpfung einen Termin in den beiden großen Impfzentren auf dem Messegelände und im Terminal C des ehemaligen Flughafens Tegel.

Angesichts der in die Höhe schießenden Inzidenz, zählt jede Erst- und Boosterimpfung vor allem alter und vorerkrankter Menschen, um eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern. Eine schwer zugängliche Impfkampagne aufgrund stundenlangen Anstehens in der Kälte könnte viele Menschen davon abhalten, sich immunisieren zu lassen. Auch am Ring-Center gingen Leute kopfschüttelnd wieder, nachdem sie die Wartezeit erfragten. Auf die ohnehin ausgereizten Kapazitäten könnte darüber hinaus noch eine weitere Herausforderung zukommen. Hintzmann: „Wir rechnen mit einer kurzfristigen Freigabe der Impfung für Kinder ab fünf Jahren, dadurch würde sich die Nachfrage voraussichtlich weiter erhöhen.“

Was kann Berlin also tun, um den Zugang zu Impfungen zu erleichtern und die Impfzentren zu entlasten? Der Senat für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung antwortete der Berliner Zeitung auf eine entsprechende Anfrage nicht. Ob und wie die unzureichenden Berliner Impfkapazitäten erweitert werden können und werden, bleibt ungewiss.

Der Epidemiologe und Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle (Saale) Alexander Kekulé sprach sich am Mittwoch in seinem gemeinsamen Podcast mit dem Mitteldeutschen Rundfunk unterdessen dafür aus, bei den Boosterimpfungen klarer zu priorisieren und die jungen bildlich gesprochen „aus den Schlangen zu schubsen“. So habe man eine Chance, den alten Menschen eine Rettungsleine zuzuwerfen.