In meiner Heimat Mexiko gibt es Schwimmunterricht nur für Kinder aus wohlhabenden Familien. Alle anderen Kinder werden im wahrsten Sinne des Wortes ins kalte Wasser geschubst. Und dies in einem Land, das zwischen Atlantik und Pazifik liegt.
Als ich nach Deutschland kam, habe ich erfahren, dass alle Kinder ab der dritten Klasse kostenlosen Schwimmunterricht bekommen. Ganz normal im Schulunterricht, wie Mathe und Deutsch. Wie großartig, dass Kinder so eine tolle Chance erhalten und damit ohne Angst vor Wasser leben können.
Schnell hat mich die Berliner Realität eingeholt und eines Besseren belehrt.
In Berlin sind die Schwimmbäder schon seit Jahren chronisch überlastet. Als im Jahr 2020 wegen der Corona-Pandemie die Türen der Schwimmhallen geschlossen blieben, kam es zum Totalausfall beim Schwimmunterricht. Auch im Jahr 2021 und in den ersten Monaten dieses Jahres wurde das Hallenschwimmen erschwert. Wer ins Becken wollte, musste vorab auf der Internetseite der Berliner Bäderbetriebe einen Slot buchen. Dies erinnerte an die Terminvergabe beim Berliner Bürgeramt. Ein Unterfangen mit geringen Erfolgsaussichten.
Mehr Zeit für Schwimmunterricht für Kinder und längere Öffnungszeiten wünscht sich Steffi Lieke, Sportwartin vom SSC Berlin Reinickendorf e. V. „Die Corona-Beschränkungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass nur wenige Kinder schwimmen lernen konnten. Die Schwimmhallen wurden als Erstes geschlossen und als Letztes geöffnet“, so Lieke. Dies betrifft eine ganze Generation von Kindern, die nicht im richtigen Alter Schwimmunterricht erhalten konnten. Heute sind die Kapazitäten der Schwimmhallen und der Sportvereine durch dieses Defizit überfordert. „Wir haben jetzt Wartelisten und unterrichten so viele Kinder wie möglich“, sagt Lieke.
In Berlin haben in diesen Sommerferien 1761 Schülerinnen und Schüler der dritten bis sechsten Klassen ihr Seepferdchen oder ein Schwimmabzeichen gemacht. Das ist zwar deutlich mehr als im Corona-Jahr 2020, wo 566 Kinder ein Schwimmabzeichen erworben haben, aber weit unter dem, was sein müsste, um jedes Berliner Kind zu einem passablen Schwimmer zu machen. „Die vielen Schwimmunfälle der letzten Zeit zeigen immer wieder: Schwimmen lernen ist lebenswichtig“, sagte Thomas Härtel, Präsident des Landessportbundes Berlin, am Mittwoch. Trotz dieser Bemühungen bekamen weniger Schülerinnen und Schüler in den Sommerferien Seepferdchen, Bronze- oder Silberabzeichen als im Vorjahr.

Nun war bei vielen Eltern und Schwimmvereinen die Angst groß, dass mit der Energiekrise der Schwimmunterricht erneut ausfallen könnte. Doch der Berliner Senat hat anders entschieden: Nach dem Beschluss von Dienstag können zu Beginn der Herbst-/Wintersaison alle Hallenbäder wie geplant öffnen. Los geht es bereits ab dem kommenden Montag, wenn die ersten Hallenbäder mit dem Training der Vereine und dem obligatorischen Schwimmunterreicht der Schulen starten. Nach und nach öffnen dann alle anderen Hallenbäder. Die Temperatur des Wassers in den Schwimmbecken wird maximal 26 Grad Celsius betragen.


