Kolumne

300 Euro Energiepauschale: Warum bitte bekommen Rentner das Geld nicht?

Wer arbeiten geht, bekommt im September Energiegeld vom Staat geschenkt, auch Gutverdiener. Unsere Autorin ärgert sich darüber - und denkt an ihre Mutter.

Tee und eine Decke: Nicht jeder kann die Heizung runterdrehen.
Tee und eine Decke: Nicht jeder kann die Heizung runterdrehen.dpa/Ole Spata

In dieser Woche wurde ich in den Nachrichten daran erinnert, dass ich im September 300 Euro geschenkt bekomme. Das klang erst mal gut. Seit ich mir die Details angesehen habe, frage ich mich allerdings: Was soll das?

Das Geld kommt vom Staat, der es mir mit dem Lohn auszahlen und gleich wieder Steuern abziehen lassen wird. Aus 300 Euro werden vermutlich um die 190 Euro, habe ich gelesen. Das Geld soll mir helfen, die steigenden Energiepreise zu bezahlen. Wenn sich meine Kosten für Strom und Fernwärme nur verdoppeln, wovon leider im Moment niemand ausgeht, dann würde das für etwa zwei Monate reichen, um den Anstieg abzufangen.

Über Geschenke soll man sich nicht beschweren, aber dieses Geschenk regt mich auf. Vor allem, weil Menschen, die es dringender brauchen als ich, es nicht bekommen. Ich habe keine Ahnung, wer sich ausgedacht hat, dass ich entlastet werden soll, aber nicht meine Mutter.

Ich habe einen festen Job und verdiene gut. Außerdem bilde ich mir ein, dass ich es auch bei 19 Grad in meiner Wohnung aushalten und im Winter Energie sparen kann. Mit einer extra Decke oder einigen Yogaübungen, bei denen mir immer ziemlich warm wird und die so Vollbäder ersetzen könnten. Ich habe meine Badezusätze weggeräumt und denke über Waschlappen nach. Bisher muss ich dabei leider immer an Winfried Kretschmann denken, den Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, der jetzt Waschlappen-Influencer ist.

Menschen, die Rente bekommen, bekommen keine Energiepauschale

Meine Mutter bekommt Rente. Menschen, die Rente bekommen, erhalten im September keine Energiepauschale. Es sei denn, sie haben einen Minijob. Meine Mutter hat keinen Minijob, sondern oft Schmerzen, gegen die heiße Bäder helfen. An guten Tagen kann sie ein paar Yogaübungen machen. Aber sicher nicht bei 19 Grad.

Meine Mutter hat in ihrem Leben viel Kälte ausgehalten. Genug für ein ganzes Leben, finde ich. Sie ist im Erzgebirge aufgewachsen. Wenn ich als Kind meine Großeltern dort im Winter besuchte, lag der Schnee meterhoch, aber das Schlafzimmer wurde trotzdem nicht geheizt. Wenn es besonders eisig war, schaltete meine Oma eine elektrische Heizdecke ein, bevor sie uns ins Bett schickte.

In Berlin lebten wir in Prenzlauer Berg, vier Menschen, zwei Zimmer, zwei Kachelöfen, ein Badeofen. Schlaft schnell weiter, rief meine Mutter meinem Bruder und mir zu, wenn sie im Morgengrauen im Kinderzimmer die Kohlen in den Ofen stapelte und Feuer machte. Draußen war es stockdunkel, im Zimmer so kalt, dass ich im Halbschlaf schnell wieder tief unter meine Decke kroch. Wenn sie uns für die Schule weckte, war es erträglich warm.

Angeblich leben Ältere in Deutschland zu üppig

Ich habe in den letzten Jahren oft gehört, dass es den Alten in Deutschland zu gut gehe, den Rentnern, dass sie üppig lebten, ständig Reisen machten und so weiter, alles auf Kosten der Jüngeren. Ich glaube, dass das für viele Ältere nicht stimmt, aber vielleicht hat deshalb niemand an sie gedacht, als das Geldgeschenk beschlossen wurde. 

Immer, wenn die Rente meiner Mutter ein bisschen steigt, steigt auch ihre Miete. So ist das inzwischen in Berlin. Teure Reisen macht sie nicht. Vor ein paar Wochen bekam sie einen Brief von ihrer Hausverwaltung, der sie ermahnte, sich auf eine Verdopplung bis Verdreifachung der Heizkosten einzustellen.

Beim nächsten Entlastungspaket sollen auch Rentner etwas bekommen, heißt es. Bis es so weit ist, überweise ich Energiegeldgeschenke vom Staat an meine Mutter weiter. Mit Dank für die Kohlen.