Es waren die schwersten Gewitter des Jahres, die ab Donnerstagabend für Deutschland angesagt waren. Entsprechend dramatisch waren die Schlagzeilen vieler Online-Medien davor. Eine vergleichsweise harmlose Überschrift des Donnerstags lautete: „Orkan, Starkregen, Hagel – massive Unwetterfront zieht über Deutschland“. Eine andere Zeitung titelt reißerischer: „Akute Unwetterwarnung! Die Dampfwolke explodiert heute über Deutschland: Orkan, Tornado, Hagel, Sturzfluten“, von Superzellen war die Rede und von der größten Unwetterlage dieses Jahres.
1. Wie stuft der Deutschen Wetterdienst die Lage ein?
Dort klingt es etwas harmloser, aber es wird auch ganz eindeutig gewarnt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) spricht von „brisanter Wetterlage mit hohem Unwetterpotenzial“ oder auch von einer Schwergewitterlage.
2. Wann hat das Unwetter begonnen?
Am Nachmittag hagelte es heftig in Nordrhein-Westfalen. Im Ort Bad Berleburg gingen gegen 17 Uhr Hagelkörner nieder, die bis zu 4,5 Zentimeter groß waren. In Gärten und Straßen bildete sich eine weiße Schicht aus Hagelkörnern. Die Unwetterfront zog dann Richtung Nordosten weiter. In Kassel sind bereits erste Straßen überschwemmt. In Berlin rief die Feuerwehr den Ausnahmezustand aus.

3. Was ist der Grund für die aktuelle Wetterlage?
Die Fachleute sprechen von einem kleinen Bodentief namens „Lambert“, das in Verbindung mit einer sehr feuchten und heißen Luftmasse von bis zu 35 Grad in Süddeutschland für Schauer sorgt. Teilweise werden kräftige Gewitter erwartet, aber lokal auch heftiger Starkregen, großer Hagel und Orkanböen sowie Tornados. Besonders betroffen wird wohl der Süden Deutschlands und auch der Westen.
4. Wird auch die Region Berlin-Brandenburg betroffen sein?
Ja. Im Süden wurde schwerer Hagel erwartet, der bis zu fünf Zentimeter groß sein kann. Die Orkanfront zog sich auf einer Linie südlich von Frankfurt am Main, Erfurt und Leipzig einmal quer durch Süddeutschland. Nördlich davon wurden auf einem breiten Streifen vom nördlichen Rheinland-Pfalz bis nach Nordbrandenburg schwere Gewitter erwartet.
5. Welche Regionen sind vom Hagel meist besonders gefährdet?
„Schwerpunkte sind meist der Süden von Deutschland“, sagte Jürgen Schmidt vom Wetterdienst Wetterkontor der Berliner Zeitung. Besonders im Allgäu, und auch in der Schwäbischen Alb. Dort gab es auch schon Hagel mit zehn Zentimeter großen Körnern.
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6. Was sind Superzellen?
Bei diesen Gewittersystemen handelt es sich um besonders langlebige und starke Stürme, die durch einen rotierenden Aufwindbereich charakterisiert sind und ein hohes Schadenspotenzial mit sich bringen können, teilte der Deutsche Wetterdienst mit.
7. Was unterscheidet Orkane und Tornados?
Wind wird eingeteilt in Brisen sowie starken und stürmischen Wind, von Sturm wird ab Windstärke 9 gesprochen, von Orkan ab Windstärke 12. Tornados sind hingegen kleinräumige Luftwirbel, die sich um sich selbst drehen und eine fast senkrechte Drehachse haben. Unten am Boden ist wenig Wind, aber oben in der Höhe ist sehr starker Wind, so wirbelt die Luft vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze. Oft werden Tornados auch als Windhose bezeichnet, wenn sie an Land auftreten und als Wasserhose, wenn sie sich über See oder dem Meer bilden. Hurrikans sind hingegen tropische Wirbelstürme im Atlantischen Ozean sowie im Nordpazifik, sie sind bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnell.
8. Wie viele Tornados werden jedes Jahr gezählt?
„Es sind etwa 30 Tornados pro Jahr in Deutschland“, sagte Jürgen Schmidt vom Wetterkontor. Europaweit sind es jedes Jahr etwa 100 bis 200. Besonders anfällig ist die Ebene des Po in Oberitalien. In Deutschland sind Tornados relativ gleichmäßig verteilt.
9. Wie viel Regen wird dieses Mal in Deutschland erwartet?
Im nördlichen Teil von Deutschland wird heftiger Starkregen erwartet. Werte von 50 bis 80 Liter pro Quadratmeter werden befürchtet. Noch ist unklar, wie viel Niederschlag die Region Berlin-Brandenburg erreichen wird, denn das Unwetter zieht einmal von West nach Ost über Deutschland hinweg und wird Richtung Osten allmählich schwächer. In Berlin sind im gesamten Monat Mai gerade einmal 13 Liter gefallen. Normal sind etwa 50 Liter im ganzen Monat Juni. Der Regen kommt nicht als Dauerregen, sondern eher als Gewitter, kann damit regional sehr unterschiedlich ausfallen. Wegen der großen Menge an Regen in kurzer Zeit ist mit lokalen Überflutungen und Hochwasser an kleineren Flüssen und Bächen zu rechnen. Am Freitag wird es weiter viel regnen.
10. Wie oft kommen solche Wetterlagen in Deutschland vor?
„Eigentlich mindestens ein- oder zweimal pro Sommer“, sagte Jürgen Schmidt. Besonders betroffen ist davon Zentraleuropa. So kam es auch zu den Unwettern, die 2021 zum Hochwasser an der Ahr führten. Der Aufbau ist fast immer sehr ähnlich: Westlich der Unwetterfront ist kühleres Wetter, aus dem Osten oder vom Mittelmeer kommt warme oder heiße Luft, die sich über die kalten Luftmassen schiebt. So entstehen Gewitter. „Dieses Mal ist der Vorteil: Das Tief bleibt nicht allzu lange“, sagte Schmidt.
11. Was war bisher das schwerste Unwetter bundesweit?
Das war der Orkan „Lothar“, der am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 über Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland hinwegfegte. Die Spitzengeschwindigkeiten lagen bei mehr als 200 Kilometern pro Stunde. Der sogenannte Jahrhundersturm kostete mehr als einhundert Menschen das Leben.
12. Wann war das schwerste Unwetter in Berlin-Brandenburg?
Der Orkan „Kyrill“ vom 18. und 19. Januar 2007 erreichte Windstärken bis 225 Kilometer pro Stunde, verursachte europaweit Schäden von knapp zehn Milliarden Euro, gezählt wurden 47 Todesopfer, mehr als eine Million Menschen waren zeitweise ohne Strom. Der Sturm ließ bundesweit 32,5 Millionen Festmeter Bäume umfallen.
Die meisten Todesopfer in der Region Berlin-Brandenburg forderte das Sturmtief „Anita“, das am 10. Juli 2002 mit Orkanböen von bis zu 152 Kilometern pro Stunde übers Land fegte. Allein in Berlin starben acht Menschen, dazu kamen mehr als 100 Verletzte. Damals gingen Videos vom Breitscheidplatz in Berlin um die Welt, dort flüchtenden Leute vor den fliegenden Sonnenschirmen der Straßencafés. Unter den Toten waren zwei Kinder, die bei einem Zeltlager auf der Wannsee-Insel Schwanenwerder waren. Sie sollten eigentlich in den Waschhäusern Schutz suchen, doch zwei Kinder waren noch in einem Zelt, als ein Baum drauf stürzte.












