Pandemie

Darum ist Berlin-Mitte Deutschlands neuer Corona-Hotspot

Inzidenz 2286: Mitte ist deutschlandweit Spitzenreiter bei den neu gemeldeten Corona-Fällen. Gesundheitsstadtrat Christoph Keller hat dafür drei Erklärungen.

Corona-Hotspot Mitte: Passanten am Hackeschen Markt.
Corona-Hotspot Mitte: Passanten am Hackeschen Markt.Benjamin Pritzkuleit

Berlin/Mitte - Es gibt Statistiken, die man nicht gern anführen möchte. Seit Beginn der Pandemie zählt die Rangliste der Orte mit den meisten gemeldeten Corona-Fällen dazu. Was läuft in der Gemeinde schief, die in Deutschland die höchste Sieben-Tage-Inzidenz aufzuweisen hat? Sind die Regeln zu lax, die Bürger zu unvorsichtig?

Am Donnerstag hat Berlin-Mitte die Spitzenposition übernommen. Mit einer Rekord-Inzidenz von 2286. Der Bezirk sei „Deutschlands neuer Hotspot“, hieß es in Meldungen. Die Inzidenz würde bedeuten, dass einer von 43 Menschen in Mitte innerhalb von sieben Tagen positiv auf Corona getestet worden ist, und das per PCR-Test, denn nur diese Fälle gehen in die Statistik ein. PCR-Tests sind in ganz Berlin gerade schwer zu bekommen, die Zahl der Fälle müsste also in Mitte noch weit höher liegen.

Was ist los in Mitte? Steht der Bezirk kurz vor dem Notstand?

Am Donnerstagabend erklärte der Gesundheitsstadtrat Christoph Keller (Linke) in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Lage. Die BVV tagte digital. Keller sah auf seinem Videobild erstaunlich entspannt aus. Er sagte gleich zu Beginn, dass er gute Nachrichten habe. Die Rekord-Inzidenz in Mitte deutet nicht auf eine Rekord-Fallzahl im Bezirk hin, sondern sie gehe unter anderem auf Änderungen im Meldesystem zurück.

Fälle in Kliniken, Labore und Büros

Es gebe drei wesentliche Gründe, dass die Inzidenz in Berlin-Mitte aktuell die höchste ist, sagte Keller.  Alle haben mit der zentralen Lage des Bezirks zu tun. Der wichtigste Grund: Die Corona-Fälle, die in den Krankenhäusern des Bezirks registriert werden, weil Patienten bei der Aufnahme positiv getestet werden, werden von Mitte an das RKI gemeldet – und Mitte zugerechnet. Das habe er gemeinsam mit dem Leiter des Gesundheitsamts, Amtsarzt Lukas Murajda, entschieden, sagte Keller.

Im Bezirk liegen viele Krankenhäuser, unter anderem die Charité, wenn Patienten positiv getestet wurden, mussten die Mitarbeiter des Gesundheitsamts Mitte bisher die Fälle den Wohnorten der Patienten zuordnen und die Meldungen weiterleiten. Das ist aufwendig – und in der Omikron-Welle nicht mehr zu schaffen. Keller nannte die Lösung „pragmatisch und unbürokratisch“.

Er zählte zwei weitere Gründe auf, die schon im bisherigen Verlauf der Pandemie dazu geführt haben, dass die Inzidenz des Bezirks verzerrt wurde. In Mitte haben besonders viele Labore ihren Sitz, die PCR-Tests auswerten. Wenn die Angaben zu einem Test unvollständig sind – etwa die Meldeadresse der getesteten Person fehlt – werden die Ergebnisse im Gesundheitsamt Mitte registriert. Und von dort weiter gemeldet. Als Fälle aus dem Bezirk Mitte, auch wenn die Proben in der ganzen Stadt entnommen wurden.

Als dritten Grund nannte Keller die vielen Büros, darunter Großraumbüros, und Veranstaltungsorte in Mitte. Wenn dort Listen zur „Anwesenheitsdokumentation“ der Mitarbeiter oder Besucher auslägen, und später Ansteckungsfälle gemeldet würden, würden diese Daten ebenfalls in Mitte verarbeitet und von Mitte „ins Meldesystem eingespeist“.

Auch das klingt pragmatisch, vermutlich ist es bei der Überlastung des Gesundheitsamts auch gar nicht mehr anders zu regeln. Die Zahlen aus Mitte spiegeln, wenn man den Erklärungen von Keller folgt, aber nicht mehr die Pandemie im Bezirk wieder. Mitte erfasse Zahlen, die andere Bezirke nicht mehr erfassen müssen, sagte der Stadtrat. Damit helfe man der ganzen Stadt – damit die Inzidenzzahlen für ganz Berlin so aktuell wie möglich sind.

Am Freitag war die Inzidenz in Mitte übrigens ein wenig gefallen: auf 2200.