Es ist eine Bildunterschrift, die der Verleger Hendrik Sodenkamp an diesem Montag teuer zu stehen kommt: „Kokainsüchtiger Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) kaufte sich kürzlich Millionenvilla in Italien“. So stand es im September 2020 in einer Wochenzeitung, für die Sodenkamp verantwortlich im Sinne des Presserechts ist. Für das „kokainsüchtig“ muss der 33-Jährige nun eine Geldstrafe von 4500 Euro zahlen.
Der Angeklagte habe sich der üblen Nachrede gegen eine Person des politischen Lebens schuldig gemacht, sagt Karin Nissing, die Richterin am Amtsgericht Tiergarten, in ihrer Urteilsbegründung. Die Pressefreiheit sei ein hohes Gut. Und es müsse auch gewährleistet sein, Meinungen von Minderheiten abzubilden. Das Blatt von Sodenkamp heißt „Demokratischer Widerstand“.
Die Grenzen der Pressefreiheit
Laut Nissing habe es sich aber hier nicht um eine Meinung gehandelt, sondern um eine Tatsachenbehauptung. Mit dem Text zum Foto von Jens Spahn werde dem damaligen Gesundheitsminister unterstellt, er sei süchtig – ohne den Tatsachenbeweis geliefert zu haben. Diese Behauptung assoziiere, dass Entscheidungen nicht mehr vom Willen getragen werden.
„Die Pressefreiheit ist wichtig, aber sie hat auch ihre Grenzen“, erklärt Nissing. Und hier seien die Grenzen überschritten worden. Auch, dass es sich womöglich um Satire gehandelt haben könnte, habe den Bildern und auch dem dazugehörenden Artikel nicht entnommen werden können.
Sodenkamp, der angibt, als Dramaturg bei vielen Theatern gearbeitet zu haben, räumte zuvor in dem Verfahren ein, für die Zeilen verantwortlich gewesen zu sein. Er habe lange überlegt, ob er sie so durchgehen lassen könnte. Und sich dann dafür entschieden. Dass Spahn die Villa nicht in Italien, sondern in Berlin-Dahlem erworben hatte, habe man in der nächsten Ausgabe korrigiert.
Der Angeklagte erzählte, dass er einen Text über einen Drogenkonsum Spahns entdeckt habe. Sie hätten ihm weiter Anlass dafür gegeben, den Angaben „meines Kollegen glauben zu schenken“. Als weiteres Indiz für Spahns Konsum nannte er das hohe Arbeitspensum des Ministers. Spahn verhalte sich „wie eine Person, die es tut“.
Vor Gericht erklärte der Angeklagte ausführlich, dass Bildunterschrift und der dazugehörige Text im Zusammenhang mit den Protesten von Hunderttausenden Menschen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung in Berlin Ende August 2020 zu sehen seien. Er habe in seiner Zeitung die Meinung dieser Menschen wiedergegeben, diese an die Regierenden weiterleiten wollen. Es sei ihm nicht darum gegangen, Herrn Spahn zu beleidigen, beteuerte er.
Verfahren wegen Corona-Demonstrationen
Als das Urteil fällt, verlässt Anselm Lenz geräuschvoll den Saal. Der Mitorganisator von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen ist ebenfalls Herausgeber der Zeitung. Gegen ihn wurde bereits Anfang April dieses Jahres wegen übler Nachrede ein Strafbefehl von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

